© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Reporter unter Feuer
Kriegsgebiete: Die Zahl der getöteten Journalisten in Kriegsgebieten steigt / Zwei amerikanische Reporter bis heute in Syrien vermißt
Henning Hoffgaard

Er gehört zu den gefährlichsten Berufen der Welt: Kriegsreporter. Jedes Jahr sterben Dutzende Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes. Dabei gelangen längst nicht alle Fälle an die Öffentlichkeit. Das „Komitee zum Schutz von Journalisten“ (CPJ) zählte allein im vergangenen Jahr 103 getötete Reporter. In 70 Fällen ist das Motiv bekannt. Es ist der zweithöchste Wert, seit dem Beginn der Zählung durch das CPJ.

Waren in den vergangenen Jahren vor allem Pakistan und der Irak die gefährlichsten Länder, nimmt seit 2012 Syrien diesen traurigen Spitzenplatz ein. 34 Reporter starben allein 2012 in dem heftig umkämpften Land. Manche durch rebellen, manche durch die reguläre Armee. Die meisten Opfer stammen aus Syrien selbst. Zuletzt wird der Al-Jazeera-Korrespondent Mohamed al-Mesalma nahe der syrisch-jordanischen Grenze während eines Gefechtes zwischen Rebellen und Armee von einem Scharfschützen erschossen.

Unklar ist, wie viele Journalisten in Syrien entführt wurden. Viele Fälle, wie auchlange Zeit der von JF-Reporter Billy Six, bleiben nichtöffentlich. Zum einen, weil es die Geiselnehmer unter Druck setzen könnte, zum anderen, weil in vielen Fällen gar nicht bekannt wird, wer die Reporter verschleppt hat. Es fehlt ein Adressat. Eine Kampagne zu einem von einer offiziellen Regierung inhaftierten Journalisten läuft anders als bei kriminellen Banden oder Islamisten. Die prominentesten Fälle sind die amerikanischen Kriegsreporter Austin Tice und James Foley, die bereits seit mehr als 100 Tagen verschwunden sind.

Foley wird am 22. November im Nordwesten des Landes in der Provinz Idleb von einer bisher noch unbekannten kriminellen Gruppe entführt. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von dem 39 Jahre alten freien Journalisten. Er arbeitet unter anderem für die französische Nachrichtenagentur AFP und GlobalPost. Nach 41 Tagen ohne einen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort entschieden sich die Eltern, an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie richteten eine englisch- und arabischsprachige Internetseite ein, auf der sie die Entführer bitten, Foley wieder freizulassen. „Wir möchten, daß Jim sicher nach Hause kommt, oder wir müssen zumindest mit ihm sprechen, um zu wissen, wie es ihm geht. Jim ist ein objektiver Journalist“, sagt sein Vater.

Zu Tice reißt der Kontakt am 13. August 2012 ab. Der 31 Jahre alte freie Journalist verschwindet vorerst vom Erdboden. Tice hatte unter anderem für die Washington Post aus dem Bürgerkriegsland berichtet. Er war über die syrisch-türkische Grenze in das Land gelangt. Zum letzten Mal wird der Amerikaner in Darayya, einem schwer umkämpften Vorort von Damaskus gesehen. Ende September taucht ein 43 Sekunden langes Video seiner Entführer auf. Sie zeigen den an den Armen gefesselten Kriegesreporter mit einer Augenbinde und zerrisener Kleidung in hügeliger Landschaft. Einige in traditionell islamischer Tracht gekleidete und mit Panzerfäusten und Sturmgewehren bewaffnete Kämpfer stoßen ihn einen Berg hinauf.

Ob es sich bei seinen Entführern um radikale Islamisten oder verkleidete Angehörige der regulären syrischen Streitkräfte handelt, ist umstritten.

Doch nicht nur in Bürgerkriegsländern und in bewaffneten Konflikten ist die Gefahr für Journalisten groß. Auch dort, wo die organisierte Kriminalität die Fäden zieht, wird es für kritische Berichterstatter schnell brenzlig. Zwischen Syrien, dem Irak und Pakistan finden sich auch Länder auf der CPJ-Liste, die über gefestigte Strukturen verfügen. So etwa Rußland, die Philippinen, Kolumbien und Algerien. Hier starben seit 1992 zusammen mehr als 200 Reporter.

Die Zahlen verblassen allerdings im Vergleich zu den getöteten Zivilisten. Allein in Syrien sollen bisher 60.000 ums Leben gekommen sein. Tendenz: stark steigend. Ohne Journalisten die ihr Leben riskieren, würde dies allerdings kaum jemand erfahren.

 

Schutzkomitee für Journalisten

Sie helfen in Not geratenen Journalisten, beraten Familien und Angehörige und organisieren öffentliche Kampagnen. Das 1981 gegründete Committee to Protect Journalists (CPJ) ist die erste Anlaufstelle für Reporter, wenn es einmal richtig gefährlich wird. Die Hauptaufgabe des CPJ ist die Veröffentlichung und die Informationssammlung über Verletzungen der Pressefreiheit. Es dokumentiert Einschüchterungen chinesischer Journalisten genauso wie die Ermordung von Kriegsreportern in Afghanistan und die Entführung von Berichterstattern in Kolumbien. Knapp 22 Mitarbeiter arbeiten hauptberuflich für die Nichtregierungsorganisation. Gerade in Krisengebieten verfügt das CPJ über zahlreiche informelle Kontakte. Seit 1992 dokumentiert die Hilfsorganisation auch die Zahl der wegen ihrer Berufstätigkeit ermordeten und getöteten Journalisten. Das CPJ gibt die Halbjahreszeitschrift Dangerous Assignments heraus sowie einen Jahresüberblick zum Stand der Pressefreiheit. Es finanziert sich vor allem über Spenden. www.cpj.org

 

Getötete Journalisten

Tote Journalisten 2012

Syrien 28

Somalia 12

Pakistan 7

Brasilien 4

Indien 2

Israel/Palästina 2

 

Art des Todes

Ermordet 46 %

Schußwechsel/Schlachten 36 %

Gefährliche Aufträge 17 %

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