© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Streit um Reservierung
NSU: Der Druck auf das Oberlandesgericht München wächst
Marcus Schmidt

Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. An diesen Wochentagen wird es in den kommenden Monaten eng werden im Sitzungssaal A 101 im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße in München. Vom 17. April an verhandelt dort der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichtes gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Carsten S., André E. und Holger G. Das Verfahren um die Mordserie an neun ausländischen Gewerbetreibenden und einer Polizistin, für das das Gericht unter Vorsitz von Richter Manfred Götzl jetzt 85 Verhandlungstage angesetzt hat, dürfte einer der spektakulärsten Prozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte werden – und schon jetzt ist der politische Druck gewaltig.

Im Zentrum des Streits steht dabei derzeit der fensterlose Sitzungssaal, der neben den Prozeßbeteiligten lediglich jeweils 50 Zuschauern und 50 Journalisten Platz bietet. Angesichts des über Deutschland hinausreichenden Interesses an dem Mammutverfahren dürften lange Schlangen vor dem Gerichtsgebäude schon in den frühen Morgenstunden absehbar sein.

Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, und mit ihm der Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments in Ankara wollten sich nicht in die Schlange einreihen. Doch das hatte das Gericht ihnen empfohlen, und den Wunsch nach reservierten Plätzen abgelehnt. Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy, bezeichnete die Haltung des Gerichts in der Süddeutschen Zeitung als „unangemessen und nicht nachvollziehbar“. Er hatte zuvor das Gericht im Namen des Ausschusses um die Platzreservierung für die türkischen Politiker gebeten. „Soll sich der türkische Botschafter etwa in die Schlange der Besucher einreihen, zusammen mit Neonazis, die zum Prozeß wollen?“ fragte Edathy. Mittlerweile hieß es aus dem Gericht, man strebe eine „für alle Beteiligten praktikable und akzeptable Lösung“ in der Frage an, berichtet die Nachrichtenagentur dapd.

Das Gericht hat trotz der Kritik an den beengten Platzverhältnissen bislang eine Verlegung in einen größeren Saal außerhalb des Gerichtsgebäudes abgelehnt. Die Juristen argumentieren, daß man ein rechtsstaatliches Verfahren und keinen Schauprozeß für die Öffentlichkeit führe.

Bevor die Hauptangeklagte Zschäpe vor Gericht erscheinen muß, wird sie auf ihren Wunsch hin von Köln nach Gera verlegt. Sie soll so die Möglichkeit bekommen, ihre schwerkranke, 89 Jahre alte Großmutter noch einmal zu sehen.

Unterdessen hat der NSU-Untersuchungsausschuß des Thüringer Landtages am Montag einen Zwischenbericht seiner Arbeit vorgelegt. Auf 553 Seiten werfen die Abgeordneten den Behörden des Freistaates schwere Versäumnisse vor. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit bis zum Untertauchen des Trios im Januar 1998. Hierfür konnte der Ausschuß auf rund 5.000 Aktenordner zurückgreifen. Zudem hat der Anfang 2012 eingesetzte Ausschuß bislang 55 Zeugen vernommen.

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