© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Zeitschriftenkritik: Kursbuch
Rechts will niemand sein
Ellen Kositza

Sag mir, was du liest, und ich sag dir, wer du bist: Es gibt eine relativ gut eingrenzbare Vorstellung über den typischen Abonnenten der Zeit, der Auto-Bild, der Landlust und so weiter, eine gewisse Breite des Spektrums sowie Ausreißer eingeschlossen. Es gab auch mal eine definierbare Gruppe der Kursbuch-Leser, und zwar durch die Jahrzehnte der Herausgeberschaft Hans Magnus Enzensbergers hindurch. Das Kursbuch, nomen erat omen, zeigte als intellektuelles Diskursorgan der Neuen Linken wo’s langging, geringfügige Fahrplanänderungen inklusive. Zu halten war der Kurs irgendwann nicht mehr. Nach mehrjähriger Pause hat der Hamburger Murmann-Verlag 2012 das Projekt neu aufleben lassen – nun mit diffusen Richtungsangaben.

Die bisherigen Ausgaben weckten schon via Titel („Gut leben“, Besser optimieren“) nur geringfügige Mitreiselust. Wer liest so was? Die aktuelle Nummer 173 (März 2013) widmet sich einem weniger langweiligen Thema, „Rechte Linke“. Allerdings wird es keineswegs in seinen denkbaren Facetten ausgeweidet. Von Susan Sonntag, der prominentesten Beiträgerin (2004 verstorben), sind ein paar Passagen ihres Vietnam-Tagebuchs von 1968 abgedruckt, ein Kommunikationswissenschaftler schreibt über amerikanische Popmusik, Michael Brenner erklärt, daß es auch linken Antisemitismus gebe, und Florian Rötzer fragt angestrengt, langwierig und ohne Gewinn, ob die Piraten und Google links sind. Die Bildstrecke besorgt ein HP Feldmann mit unbetitelten, unkommentierten Photographien diverser Frauenköpfe, die alle knallroten Lippenstift und riesige Sonnenbrillen tragen. Man soll sich dazu was denken, raunt es mit keckem Unterton im Editorial.

Immerhin konstatiert Herausgeber Armin Nassehi an gleicher Stelle, daß die Eindeutigkeit der Unterschiede zwischen links und rechts sich „verschoben“ habe. Die Konservativen seien linker geworden, die Linken hätten sich mit dem Kapitalismus versöhnt. Gut, die Konservativen. Also der starre CDU-Flügel, die „Managerfritzen“ und Mercedesfahrer, die Georg M. Oswald in seinem zweifellos hübschen Literaturstück („In schwierigstem Gelände“) auftreten läßt. Mit Paul Nolte und Axel Honneth liefern sich zwei Promi-Denker ein „Streitgespräch über rechts und links“. Nolte findet, „liberal“ sei das neue „konservativ“. Insofern sei der Konservative heute progressiv und setze die einst links beheimatete Tradition der Aufklärung fort. Honneth beharrt, das Selbstverständnis als „Träger des Fortschritts“ sei nach wie vor genuin linker Kernbestand. Wo aber bleiben die Rechten? Armin Nassehi sagt’s: „Man findet kaum jemanden, der sich als rechts bezeichnet (…). Gerade rechts will niemand sein. Und wo sich dann doch Rechte finden – im Umkreis etwa von Zeitschriften wie JUNGE FREIHEIT oder Sezession – muten die semantischen Figuren bisweilen eher links an.“ Etablierte Konservative würden dort – hier! – als Agenten des Stillstands angesehen, demzufolge seien hier „linke Rechte am Werk.“ Wenn das nichts ist?

Kontakt: Murmann Verlag, Redaktion Kursbuch, Schopenstehl 15, 20095 Hamburg, Telefon: 040 / 39 80 83-0. Das Einzelheft kostet 19 Euro, ein Jahresabo für vier Hefte 60 Euro.

www.kursbuch-online.de

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