© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Frisch gepresst

Sozialbiologie. Nach dem Tod des Verhaltensforschers Konrad Lorenz (1903–1989) ist Edward O. Wilson tatsächlich, wie der Verlag wirbt, „der berühmteste Biologe unserer Zeit“. Allerdings, auch hier unterscheidet sich der US-Amerikaner nicht vom „Vater der Graugans“, verdankt sich dieser Ruhm nicht zuletzt der lauten Kritik, die evolutionsbiologische Erklärungsmuster in einer auf „Emanzipation“ fixierten Gesellschaft auslösen, die ungern etwas von der „Natur des Menschen“ hört. Wilsons an Ameisenstaaten gewonnene Erkenntnisse, so lautet der Tenor von Sozialwissenschaftlern seit Jahrzehnten, taugten nicht zur Aufklärung über die Funktionsweise menschlicher Gesellschaften. Wilson hat sich davon nie anfechten lassen, wie jetzt sein Werk zu der von ihm 1975 begründeten Sozialbiologie zeigt, das nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Die soziale Gruppe ist hier einmal mehr die treibende Kraft der menschlichen Evolution. Leider spielt dabei auch wieder die von Biologen und Kulturanthropologen gleichmaßen bekämpfte, wissenschaftlich nicht haltbare „Gruppenselektion“ eine fatale Hauptrolle. Das soziobiologische Fundament von Religion, Moral und Kultur, das er freizulegen glaubt, wirkt daher reichlich porös. (wm)

Edward O. Wilson: Die soziale Eroberung der Erde. Eine biologische Geschichte des Menschen. Verlag C. H. Beck, München 2013, gebunden, 384 Seiten, Abbildungen, 22,95 Euro

 

Geheimdienst. Unter Fans der von Schlapphüten besorgten Machenschaften ist die Reihe „Geheimdienstgeschichte“ von Jürgen W. Schmidt zu einem absoluten Muß avanciert. Mit dem neuen Band erweist sich der Oranienburger Historiker als fleißiger Reiter seines Steckenpferdes – fünf der acht Beiträge stammen aus seiner Feder. Das Buch wartet mit faktengesättigten Untersuchungen auf: unter anderem über die geheimdienstliche Überwachung der SS in Preußen zwischen 1926–1931, über die tölpelhaften Aktivitäten des deutschen Marinenachrichtendienstes, die 1917 Norwegen beinahe bewogen hätten, dem Reich den Krieg zu erklären, oder über die polnische Luftspionage am Ende der Weimarer Republik. Das Juwel des Bandes ist aber die Indizienarbeit des Dresdner Historikers Wolfgang Kaufmann über das Attentat auf Reinhard Heydrich 1942, das mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anschlag des MI 6 mit Milzbranderregern war. (ru)

Jürgen W. Schmidt: Geheimdienste in Deutschland: Affären, Operationen, Personen. Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2013, broschiert, 357 Seiten, 25 Euro

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