© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Mit Apokalypse ist kein Staat zu machen
Der Physiker Hans von Storch und der Ethnologe Werner Krauß über Treibhausgase, den Kampf gegen Kohlendioxid und den Alarmismus der Klimapolitik
Edgar L. Gärtner

Seit der großen Politik im Westen mit dem Ende des Kalten Krieges das Feindbild abhanden gekommen ist, sucht sie nach einer Begründung durch „die“ Wissenschaft. Rasch war die der Welt nach Meinung einiger Physiker drohende „Klimakatastrophe“ als beinahe ideales Ersatz-Feindbild ausgemacht. Auf dem „Erd-Gipfel“ in Rio de Janeiro wurde 1992 einstimmig eine Klima-Rahmenkonvention verabschiedet. Im Dezember 1997 einigten sich die Signatarstaaten dieser Konvention in Kyoto/Japan auf ein Protokoll der Verminderung des Ausstoßes sogenannter Treibhausgase um zunächst etwa fünf Prozent bis 2012. Quantitative Verpflichtungen gingen dabei aber nur die wohlhabenden Industrieländer ein.

Sogenannte Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien gelten darin noch als Entwicklungsländer, denen ein ungebremstes Wachstum der Wirtschaft und des Ausstoßes von „Treib-hausgasen“ zugebilligt wird. In Kraft trat dieses Protokoll aber erst 2005, als mit seiner Ratifizierung durch Rußland das vereinbarte Quorum erreicht war. Der US-Senat lehnte die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls einstimmig ab. Im Dezember 2009 sollte der „Klima-Gipfel“ von Kopenhagen eine Einigung über eine Fortsetzung des Protokolls nach 2012 bringen. Doch die aus 200 Ländern angereisten Delegierten trennten sich ohne Ergebnis. Dazu beigetragen hat wohl die Entlarvung von Manipulationen an Temperaturkurven („Climategate“) durch amerikanische und britische Forscher wenige Wochen zuvor.

Auf dem „Rio+20-Gipfel“ im Sommer 2012 herrschte deshalb Katzenjammer. Mit der Klimapolitik seien auch die Klimawissenschaften in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten, stellen Hans von Storch und Werner Krauß in ihrem Ende Februar erschienenen Buch „Die Klimafalle“ fest. Der Physiker Hans von Storch, einer der bekanntesten deutschen Klimaforscher, leitet das Institut für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht bei Hamburg. Zusammen mit dem Ethnologen Werner Krauß betreibt er den Internet-Blog „Die Klimazwiebel“. Die Klimaforschung könne ihre Glaubwürdigkeit nur wiedererlangen, wenn sie das apokalyptische Weltbild überwindet und allzu große Nähe zur Politik vermeidet, erklären die beiden.

Sie sehen dennoch keinen Grund, sich von der von Angela Merkel überstürzt ausgerufenen „Energiewende“ zu distanzieren, obwohl diese nach wie vor auch mit der Angst vor einer „Klimakatastrophe“ begründet wird. Sie verlieren auch kein kritisches Wort über die gigantische Umverteilung von Volksvermögen von unten nach oben durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Sie unterstellen also, daß in der Politik im großen und ganzen alles seinen geregelten Gang geht und hüten sich vor politisch unkorrekten Schlußfolgerungen, die vielleicht gar ihren Forschungsetat in Gefahr brächten.

Wohl vor allem deshalb stellt Hans von Storch die offizielle Erklärung des Klimawandels als direkte Folge der Zunahme des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre nicht in Frage. Schwankungen der Sonnenaktivität, die von „Skeptikern“ als alternative Erklärung in die Diskussion gebracht wurden, zieht er nicht einmal in Erwägung. Immerhin räumt er ein, daß die globale Durchschnittstemperatur seit 1998 nicht mehr angestiegen ist, fragt aber nicht, worauf diese Stagnation zurückgehen könnte.

Größere Glaubwürdigkeit für die Klimaforschung versprechen sich die beiden Autoren durch eine Abkehr von deren einseitiger Orientierung auf die verordnete Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen. Stattdessen solle sie stärker Fragen der menschlichen Anpassung an den unvermeidlichen Klimawandel nachgehen. In einer „post-normalen“ Situation, gekennzeichnet durch große Ungewißheit und gleichzeitig hohe Nachfrage nach wissenschaftlicher Expertise, müsse der idealistische Wissenschaftsbegriff, wonach die Forscher uneigennützig nach der Wahrheit streben, aufgegeben werden zugunsten eines pragmatischen Herangehens.

Ein Modell dafür sehen die Autoren in dem von ihnen selbst initiierten Norddeutschen Klimabüro, einer Art Hofladen des Helmholtz-Zentrums. Dieses begleitet die Verhandlungen der Nordfriesen mit Naturschützern und Windkraft-Investoren. Ein wichtiger Rat des Klimabüros: Bis 2030 besteht keine Notwendigkeit, die Deiche an der deutschen Nordseeküste zu erhöhen, da der Meeresspiegel nur um zwei Millimeter im Jahr steigt. Ein weiterer Rat zeigt, worauf die Autoren hinauswollen: Durch die Errichtung sogenannter Bürgerwindparks erhielten die Küstenbewohner die Möglichkeit, selbst von der „Energiewende“ zu profitieren. Proteste gegen die Gefährdung unserer Versorgungssicherheit durch die höchst unregelmäßige Einspeisung von Windstrom würden so abgewürgt.

Hans von Storch, Werner Krauß: Die Klimafalle. Die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung. Carl Hanser Verlag, München 2013, gebunden, 248 Seiten, 19,90 Euro

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