© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Männer als Klotz am Bein
Die US-amerikanische Publizistin Hanna Rosin analysiert das neue Rollenmodell nach der Domestizierung des Mannes durch den Feminismus
Ellen Kositza

Jedes Jahr erscheinen Dutzende hervorragende Bücher, die jedoch im engen Nischenkreis verschwinden. Sie werden von den großen Medien nicht zur Kenntnis genommen; falscher Verlag, verfehlte PR, unpopuläres Thema, was auch immer. Andere Bücher erfahren ein Donnerecho, gerade weil sie zum Widerspruch reizen, sie nutzen ihr Provokationspotential.

In einer dritten Klasse ist das Buch weder brillant geschrieben, noch fällt es durch eklatante Widerborstigkeit auf, dennoch wird es auf allen Kanälen verhandelt. Um einen solchen Fall handelt es sich bei Hanna Rosins aus dem Amerikanischen übersetzten mittelschweren Wälzer „Das Ende der Männer“. Ein Hinschautitel, daneben gerade in jenen Wochen erschienen, da „der Untergang des weißen Mannes“ erst durch Mitt Romneys Niederlage, dann durch Brüderles Bar-Manieren weithin als Paukenschlag zelebriert wurde.

Die Autorin vermeldete, interessanterweise habe sie von Frauen deutlich negativere Rückmeldungen erhalten als von Männern. Das dürfte zunächst einen simplen Grund haben, der sich in dem süffisanten Spruch bündelt: „Ein Mann – ein Wort, eine Frau – ein Wörterbuch.“ Diese Weisheit dürfte sich nicht allein auf den Sender, sondern auch auf den Empfängerkreis beziehen: Frauen neigen nicht nur zu redundanten, langatmigen Aussagen, sie tolerieren auch solchen Kommunikationsstil eher. Es ist ein Buch, bei dem Männer rasch abschalten dürften, aus purer Langeweile. Und insofern dürfte dies als Vor-Urteil auf Rosins Buch anzuwenden sein: Erstens ist es eine Lektüre, die über Strecken dahinplappert, zweitens dreht es sich zuvörderst darum, was einzelne Frauen und einzelne Männer so ganz individuell denken und tun.

Die Autorin bezieht, anders als der gewaltige Titel vermuten läßt, im Grunde keine Haltung. Weder eine feministische, noch weniger eine feminismuskritische. Sie läßt viele Dutzend Menschen, die sie oft tagelang begleitet hat, zu Wort kommen. Bethenny und Calvin, Sarah und Steve, Shannon und Tali – überall findet sie das gleiche Muster: die Frauen, ob Ober-, Mittel- oder Unterschicht, ziehen gnadenlos an den Männern vorbei. Die Frauen reüssieren als Topmanagerinnen oder Anwälte, während der Mann das Kind bespielt und Abendkurse belegt, oder sie schaffen Teilzeit bei Walmart, strippen nachts und schmeißen den Haushalt, während der Gatte angelt, Bierposter hortet oder sonstwie lümmelt.

Die Rollen, so Rosin, hätten sich verkehrt. Heutzutage seien es die Frauen, die Angst haben, finanziell ausgesaugt zu werden und die sich von der Plackerei ausgebrannt fühlen: „Männer sind der neue Klotz am Bein.“ Unglücklich oder nur ungewollt treffend ist das Bild, in das Rosin – oder ihre (männlichen) Übersetzer – das vorgefundene Bild gießen: Sie ist die „Plastikfrau“, er der „Mann aus Pappe“. Mit „Plastikfrau“ ist kein künstlich aufgeschäumter Entwurf gemeint, angesprochen werden soll die Flexibilität der neuen Frau, ihre (größtenteils gerühmte) Bereitschaft, sich neuen Rollenerwartungen effektiv anzupassen.

Ein eigenes Kapitel ist der „sexuellen Plastizität“ der Frau gewidmet. Für ehrgeizige Aufsteigerinnen sei die neue Möglichkeit, „sexuelle Karrieren“ ohne seelische Beteiligung einzuschlagen, eine gute Möglichkeit „Beziehungen auszuprobieren, ohne daß sie dadurch in ihrer persönlichen Entwicklung oder ihrem Studium beeinträchtigt“ würden. Ein Beispiel: Frauen seien heute viel häufiger Analverkehr zugeneigt als vor zwanzig Jahren. Frauen mit solchen Erfahrungen wiesen eine insgesamt größere Befriedigung auf. Rosin findet naßforsch: „Es läßt sich der allgemeine Schluß ziehen, daß Fortschritte in sexueller Aufgeschlossenheit tatsächlich Fortschritte sind“.

Daneben „schlußfolgert“ die Autorin wenig. Sie erwähnt zwar, daß Männer „von Feministinnen und Umweltfaschisten“ domestiziert worden seien, aber sie hat dem nichts weiter anzumerken, sondern schreitet plaudernd weiter. Zu kessen Schülerinnen, die von Romeo-und-Julia-Lektüre angeödet sind, zu Musterfrauen wie der fiktiven Killer-Heldin Lisbeth Salander und ihrem tölpelhaften Gegenpol Greg aus „Gregs Tagebuch.“

Rosins Buch, auch wenn es sich in einem eigenen, interessant zu lesenden Kapitel den gesellschaftlichen Umwälzungen den südkoreanischen Frauen widmet, fokussiert sich naturgemäß auf US-amerikanische Zustände. Der deutsche Leser hat es nicht nur assoziativ, sondern gelegentlich grundlegend schwer, zu ahnen, was gemeint ist: Was heißt es, wenn man den LSAT macht? Wenn man schwarze Keds trägt oder einen Dodge Charger fährt? Wenn sich eine Vorstellung anfühlt wie der Song „Morning train“ von Sheena Easton und wie eine Szene aus „30 Rock“? Was genau sind „Fuck Points“, was ist eine „Jerry-Springer-Beziehung“, was eine „Murphy-Brown-Rolle“?

In einem Interview antwortete Rosin auf die Frage, ob „Das Ende der Männer“ eine gute oder schlechte Nachricht sei, ernsthaft, daß sie „darüber noch nie nachgedacht“ habe: „Aber wenn Sie unbedingt wollen, dann sage ich, daß das eine überwiegend gute Nachricht ist.“ Rosin widmet sich zwar den spezifischen Bedingtheiten von Klassen und sogar Rassen, die Religiosität bleibt für die aus Israel stammende Journalistin hingegen außen vor. Im Nachwort dankt sie allerdings ihren vielen Helferinnen und Ratgeberinnen: Abelmann, Abrams, Greenstone, Leibovich, Perlstein, Weinberg und so weiter. Es mag sich bei dem zum Debattenstoff aufgeblähten Buch also um eine auch spezielle Sicht der Dinge handeln.

Hanna Rosin: Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen. Berlin Verlag, Berlin 2013, gebunden, 352 Seiten, 19,99 Euro

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