© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der Doppelpaß kommt bestimmt
Marcus Schmidt

Rot-Grün wirkt nach. Obwohl die bisher einzige Koalition von SPD und Grünen auf Bundesebene bereits seit 2005 Geschichte ist, entfalten einige ihrer politischen Entscheidungen erst jetzt ihre volle Wirkung. Besonders augenfällig wird dies bei den 2001 eingeführten gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Vor dem Hintergrund mehrerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wird mittlerweile sogar in der Union ernsthaft diskutiert, die sogenannte Homo-Ehe komplett mit der Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen.

Am Rande der öffentlichen Wahrnehmung köchelt derweil noch ein ganz anderes „Projekt“ aus rot-grünen Zeiten weiter vor sich hin: die doppelte Staatsangehörigkeit. Deren Einführung hätte indes weit größere Auswirkungen als die Homo-Ehe und würde an den Fundamenten des Staates rütteln.

Rückblick: Im Jahr 2000 waren SPD und Grüne mit ihren Plänen für den Doppelpaß noch an den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat gescheitert. Als Kompromiß mit der Union kam das sogenannte Optionsmodell heraus. Dieses sieht vor, daß in Deutschland geborene Kinder von Ausländern von Geburt an zusätzlich zur Staatsbürgerschaft ihrer Eltern zwar den deutschen Paß erhalten, sich aber zwischen ihrem 18. und 23. Geburtstag für einen entscheiden müssen. Diese Regelung war den Linken von Anbeginn ein Dorn im Auge und wurde bis in die Reihen der FDP immer nur als Zwischenlösung angesehen. Dies wurde in der vergangenen Woche bei einer Anhörung des Innenausschusses zu drei Anträgen von SPD, Grünen und Linkspartei auf Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts einmal mehr deutlich.

„Das Optionsmodell behindert Integration und überfordert die Verwaltung“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann. Und seine Fraktionskollegin Daniela Kolbe erhob den Doppelpaß gleich zur „sozialen Identität“ nachwachsender Einwanderergenerationen. Verfassungsrechtlich, soviel machten die Experten in der Anhörung mehrheitlich deutlich, ist der Optionsregelung kaum beizukommen. Vor allem die Staasrechtler Kay Hailbronner (Konstanz) und Kyrill-Alexander Schwarz (München) wiesen dagegen auf grundsätzliche Probleme hin, sollte das Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit aufgegeben werden. Gerade die türkische Regierung sehe die Staatsbürgerschaft nicht nur als Zeichen der kulturellen Verbundenheit mit der alten Heimat, sondern als rechtliche „Inpflichtnahme und Legitimationsgrundlage“ an, warnte Hailbronner. Mit anderen Worten: Ankara hat ein Interesse daran, daß möglichst viele türkische Einwanderer den Paß ihres Herkunftslandes behalten, um so einen Hebel für die Einflußnahme auf die deutsche Innenpolitik in der Hand zu haben.

Doch derlei Warnungen dürften bei den Gegnern des Optionsmodells, die den Doppelpaß zu einem Merkmal der „Anerkennungskultur der Einwanderungsgesellschaft“ verklären, kaum verfangen. Sobald es die politischen Mehrheiten erlauben, wird die doppelte Staatsbürgerschaft zur Regel werden.

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