© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/13 / 29. März 2013

„Nicht Banken retten, sondern Länder“
Wirtschaftsbuch: Joachim Starbatty plädiert für den Austritt schwacher Euro-Staaten aus der Währungsunion
Klaus Peter Krause

Zu den frühen Warnern vor der Euro-Währungsunion gehört der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty. Was der emeritierte Tübinger VWL-Professor und seine anderen Fachkollegen vorausgesagt hatten, ist eingetreten. Starbatty und seine Mitstreiter haben 1998 gegen die Euro-Einführung und 2010 gegen die Griechenland-Hilfe Verfassungsklage erhoben. Er selbst reist herum, hält Vorträge, nimmt an Diskussionen teil, macht Vorschläge, um die Bürger vor noch mehr Unheil zu bewahren, unermüdlich aufklärend, weiterhin warnend. Und nun als Krönung ein Buch, das den Euro als „Tatort“ verbohrter und verantwortungsloser Politiker wahrnimmt, als ein Verbrechen, ohne daß dieses Wort im Buch ausdrücklich vorkommt.

Für Starbatty ist die Euro-Zone ein brodelnder Vulkan. Der könne jederzeit wieder ausbrechen, sagte er bei der Vorstellung des Buches in Berlin. Die Gefahrenherde seien nicht beseitigt; der Rettungsschirm und EZB-Präsident Draghis Ankündigung, gegebenenfalls außerhalb des geldpolitischen Mandats der EZB Staatsanleihen anzukaufen, würden weder das Schuldenproblem verringern noch die verlorengegangene internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückbringen. Erst wenn die Politik die wirtschaftlichen Fakten zur Kenntnis nehme, werde die Euro-Zone gesunden. Diese Fakten sind: „(1) Sie bekämpft Probleme, die es ohne den Euro nicht gäbe. (2) Die Schuldnerstaaten der südlichen Peripherie der EU wären nicht notleidend, wenn sie nicht Mitglieder der Euro-Zone wären.“ Das Merkel-Konzept „Zeit kaufen und in dieser Zeit reformieren“ sei wirtschaftlich und politisch gescheitert.

Ein Schwerpunkt des Buches ist, was Starbatty in dem Schulden-Euro-Desaster vorschlägt, anstelle der bisherigen Maßnahmen zu tun. Kurzgefaßt lautet der Vorschlag: Nicht Banken müssen gerettet werden, sondern Länder. Bei der Buchvorstellung in Berlin hatte er noch treffend ergänzt: „Auch Bürger retten statt Banken, wie es Island getan hat.“ Wie das Länderretten gehen und gutgehen kann, beschreibt Starbatty ausführlich am Beispiel Griechenland.

Das Land solle aus der Währungsunion ausscheiden, die Drachme wieder einführen, der Euro als Zweitwährung dort weiter im Umlauf bleiben. Der Umstellungskurs von neuer Drachme zum Euro sei zunächst auf eins zu eins festzulegen und dann die Wechselkursbewertung dem Markt zu überlassen. Der werde die Drachme kräftig abwerten, dies werde Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen und aus dem Schlamassel allmählich herausführen. Mit der jetzigen Rettungspolitik werde das nicht geschehen, sondern Griechenland nur noch tiefer im Sumpf versinken.

Alle üblichen Einwände, wie sie Politiker und einige Ökonomen gegen diese Form der Rettung auffahren, werden von Starbatty zerpflückt. Anschließend diskutiert er, wie die anderen Euro-Staaten auf einen Griechenland-Exit reagieren könnten oder würden. Möglich wäre, daß sich die Euro-Zone aufteilt, und zwar in eine erste Gruppe, die sich von einem Ausstieg ebenfalls Vorteile wie Griechenland verspricht, und in eine zweite, die am Euro festhalten will.

Lassen sich die strauchelnden Staaten im Euro-Gefängnis weiterhin einsperren, tickt, wie Starbatty auch bei seiner Buchvorstellung sagte, die soziale Zeitbombe. „Und die können wir nur entschärfen, wenn die Länder ein Geschäftsmodell bekommen durch Austritt und Abwertung.“ Besser sei es, die (noch) starken Euro-Länder würden einen Euro-Kern bilden, und die schwachen schieden aus und machten eine Politik ausgerichtet an den nationalen Interessen. Der Befürchtung, der vermutete Aufwertungsdruck bedeute den Untergang oder doch einen hochgefährlichen Rückschlag für die deutsche Wirtschaft, tritt Starbatty ebenfalls überzeugend entgegen.

Auch worauf sich die Bürger einstellen müssen, zeigt Starbatty auf. Wenn die Politik so bleibt, wie sie ist, geht der Marsch in die inflationäre Transfergemeinschaft weiter. „Daran ändern auch die Interventionen der Europäischen Zentralbank nichts; es werden bloß private gegen souveräne Gläubiger ausgetauscht.“ Einer inflationären Tendenz könne die Bank dann nicht mehr wirksam entgegentreten. Wie hoch die Preissteigerungen und die finanziellen Belastungen sein würden, könne niemand verläßlich sagen. Wohl aber würden aus Bürgschaften und Gewährleistungen nationale Schulden werden, und die Preissteigerung werde deutlich über die Zielmarke der EZB (unter, aber nahe zwei Prozent) deutlich hinausgehen. Andere Verläufe seien möglich – bis hin zu Schockwirkungen, die die dritte Weltwirtschaftskrise nach 1929/30 und 2007/08 auslösen könnten.

Halte man an der Politik des Zeitkaufens fest, werde sich die Entwicklung zur Transferunion beschleunigen. Sie werde sich schließlich als bloße Konkursverschleppung entpuppen. „Es ist wie bei einer schweren Erkrankung: Je länger man mit der notwendigen Operation wartet, desto gefährlicher wird sie. Endstadium einer solchen Erkrankung wäre, daß auch Deutschland unter den Schirm schlüpfen müßte. Wenn Mario Draghi versuchte, dagegenzuhalten und die Politik der Deutschen Reichsbank von 1923 kopierte, dann würde die Inflation zu galoppieren beginnen, doch würde der Außenwert noch schneller abstürzen. Das wäre dann das endgültige Aus. Die Euro-Staaten kehrten zu ihren angestammten Währungen wieder zurück. Das kann sich niemand wünschen, aber ausgeschlossen ist es nicht.“

 

Prof. Dr. Joachim Starbatty ist seit 1991 Vorsitzender der freiheitlich orientierten „Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft“ und seit diesem Jahr auch Unterstützer der Partei „Alternative für Deutschland“.

www.asm-ev.de

www.alternativefuer.de

Joachim Starbatty: Tatort Euro – Bürger, schützt das Recht, die Demokratie und euer Vermögen. Europa Verlag, Berlin 2013, gebunden, 311 Seiten, 19,99 Euro

Foto: Zypriotische Pleitebank Laiki: Die Euro-Mitgliedschaft schien attraktiv, weil man hoffte, so in den Genuß des deutschen Zinsniveaus zu kommen

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