© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/13 / 29. März 2013

Zeugnisse fürstlicher Repräsentation
Rüstungen und Waffen vom späten 15. bis zum 17. Jahrhundert: Das Dresdner Residenzschloß widmet sich dem ritterlichen Turnierwesen
Paul Leonhard

Die Rüstungen sind geschlossen. Die Lanzen ausgerichtet, der Gegner anvisiert. Die Ritter senken die Köpfe und gegen ihren Pferden die Sporen. Diesen Moment eines höfischen Turniers haben die Kunsthistoriker im Dresdner Residenzschloß festgehalten. Drei derartige Szenen wurden nachgestaltet. So ein Scharfrennen zwischen Kurfürst August von Sachsen und Fabian von Schöneich, das um 1550 stattgefunden hat. Damals waren die geschlossenen Ritterhelme bereits mit einem Harnischkragen verhakt, so daß es keine Lücke mehr gab, in die eine Lanzenspitze eindringen konnte. Überdies wurden die Turniere mit relativ ungefährlichen Waffen, stumpfen Lanzen und Schwertern, ausgetragen. Schließlich wollten die Herrscher ihre besten Kämpfer nicht schon im Kampfspiel verlieren. Deswegen waren die Turnierrüstungen teilweise mehr als 40 Kilogramm schwer und machten den Ritter unbeweglich.

Plattner und Rüstmeister mühten sich bis ins 17. Jahrhundert, die Rüstungen immer weiter zu perfektionieren. Plattner schmiedeten aus Eisenplatten Harnischteile und setzten diese durch Nietung und Riemenverbindungen zusammen. Durch Bläuen, Tauschierung, Niello, Teilvergoldung und Eisenätzung wurden sie kunstvoll verziert. Die Rüstungen sind Zeugnisse fürstlicher Repräsentation.

In der Dresdner Ausstellung wird das Turnierwesen des 16. Jahrhunderts lebendig. Auf täuschend echt wirkenden Pferden aus Holz sitzen lebensgroße Reiterfiguren, ausgestattet mit prunkvollen Rüstungen und Lanzen. Auf ihren Helmen tragen sie farbige Straußenfedern. Zu sehen ist der goldene Herkules-Harnisch, eine als künstlerisches Hauptwerk geltende Waffengarnitur für Mann und Roß. Geschaffen wurde sie 1563 von dem in Antwerpen ansässigen Goldschmied Eliseus Libaerts. In Vitrinen sind weitere Prunkharnische zu sehen. Insgesamt werden 350 Stücke präsentiert, ein Bruchteil der etwa 10.000 Kunstgegenstände umfassenden Sammlung der Rüstkammer.

Die Dresdner Rüstkammer entstand im 15. Jahrhundert. Damals gründete Albrecht der Beherzte im Schloß die herzogliche Harnischkammer. Seine Nachfolger mehrten die Sammlung; das älteste Gesamtinventar wurde 1567 angefertigt und weist mehr als 1.500 Positionen aus. Wertvolle Stücke aus Italien, Frankreich und Spanien wurden gekauft, die Sammlung durch Kriegsbeute aus dem Kampf gegen die Türken vor Wien ergänzt.

Bis zum Kriegsausbruch 1939 war die Rüstkammer im Johanneum, dem heutigen Verkehrsmuseum, untergebracht. Nach der Rückkehr der Kunstschätze aus der Sowjetunion 1958 wurden sie im Ostflügel der Sempergalerie untergebracht, von wo sie jetzt in den Riesensaal des Schlosses umgezogen ist. Dieser war ab 1548 als Festsaal errichtet worden. Seinen Namen erhielt der das Schloß dominierende Raum aber nicht wegen seiner Ausmaße von knapp 60 mal 11 Metern sowie einer Höhe von neun Metern, sondern wegen der auf den Wandflächen zwischen den Renaissancefenstern dargestellten riesigen Kriegergestalten. 1701 fiel der Raum einem großen Brand zum Opfer; 1718 wurde er im barocken Stil wieder aufgebaut. Ab 1734 wurde er in kleine Räume aufgeteilt und verschwand damit.

Als sich Dresden ab 1985 an die Rekonstruktion des zerstörten Gebäudekomplexes machte, entstand bald die Idee, den einstigen Prachtsaal neu erstehen zu lassen, um hier die Prunkharnische der Rüstkammer zu präsentieren. Seit Mitte Februar nun kann diese Inszenierung besichtigt werden, die weltweit ihresgleichen sucht.

Die Rüstkammer im Riesensaal des Dresdner Residenzschlosses kann täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden.

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