© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Die Statthalter der Sultane
Das Gezerre um den NSU-Prozeß offenbart erneut, daß Deutschland kein souveränes Land ist
Michael Paulwitz

Mit den mutmaßlichen NSU-Morden und ihrer Aufarbeitung habe die Türkei- und Islamlobby in Deutschland „ihren Reichstagsbrand gefunden“: Bernd Zellers schneidende Parallele, die der einstige Pardon-Herausgeber und Titanic-Redakteur auf seinem Blog „Tagesschauder“ zieht, ist so gnadenlos wie treffend. Die konzertierten Einmischungen türkischer Funktionäre und Politiker aus dem In- und Ausland in die deutsche Innenpolitik und die Arbeit deutscher Behörden und ihre demonstrative Mißachtung der Unabhängigkeit deutscher Gerichte haben inzwischen eine Dimension und Schlagfolge erreicht, die den Vergleich mit einer versuchten Machtergreifung nicht mehr vollkommen abwegig erscheinen lassen.

Die künstlich hochgekochte und aus der Türkei noch angeheizte Empörung über die Nicht-Bevorzugung türkischer Medien bei der Vergabe fester Korrespondentenplätze für den Prozeß gegen Beate Zschäpe, die mutmaßliche Angehörige einer rechtsextremen Terrorzelle, stellt kaum verhüllt die Machtfrage in der Bundesrepublik Deutschland. Das zeigt schon der Kontext dieser Skandalisierung: Erst war es der türkische Botschafter, der mit seiner im arroganten Ton eines Statthalters vorgetragenen Forderung nach einem Logenplatz an Selbstbewußtsein und Unabhängigkeit des Münchner Oberlandesgerichts scheiterte. Dann stellten türkische Verbände in Deutschland und Regierungspolitiker aus Ankara im gut eingeübten Zusammenspiel diese Unabhängigkeit mit dem Pochen auf Ausnahmerechte für türkische Medien, die bei der regulären Akkreditierung nicht zum Zuge gekommen waren, massiv weiter in Frage. Schließlich meldete der türkische Außenminister Davutoglu bei seinem deutschen Amtskollegen sogar den Anspruch an, auch türkische Abgeordnete und Staatsvertreter als Prozeßbeobachter zuzulassen – ein Privileg, das in unserem Rechtsstaat nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht einmal deutschen Politikern einfach so zusteht. Fehlt nur noch, die Verhandlungsführung gleich ganz für die Türkei zu reklamieren, damit auch ganz gewiß das erwünschte Schauprozeß-Ergebnis herauskommt.

Die handfeste Unverschämtheit, ein deutsches Gericht unter türkische Aufsicht stellen zu wollen, weil man ihm kein ordentliches Verfahren zutraut – und dies aus einem Land, dessen Behörden regelmäßig selbst die Arbeit der deutschen Justiz sabotieren, siehe das unbehelligte Untertauchen des Alexanderplatz-Mörders oder des Finanzbetrügers Mehmet Göker –, wird von Sperrfeuer aus zahlreichen medialen und politischen Begleitbatterien flankiert. Erst am Ostermontag wärmte der türkische Vizepremier Bekir Bozdag, flankiert vom Außenministerium, die Backnang-Farce wieder auf und unterstellte nach dem Brand eines türkischen Hauses in Köln, bei dem die Todesopfer nicht einmal türkischer Abstammung waren, prompt einen von deutschen Behörden böswillig vertuschten „rechtsextremistischen“ Hintergrund; der Sprecher des „Koordinationsrats der Muslime“ Aiman Mazyek griff den Ball auf und bejammerte die „Verunsicherung“ der in Deutschland lebenden Moslems; und derselbe Mazyek nutzte das höchste christliche Fest und die aufgeheizte Stimmung, um wieder mal zwei gesetzliche moslemische Feiertage in Deutschland zu verlangen, nachdem er wenige Tage zuvor schon aus der NSU-Hysterie die Forderung nach einem Straftatbestand „Islamfeindlichkeit“ abgeleitet hatte.

Das Ganze ist so durchsichtig, daß die einzig angemessene Antwort deutscherseits auf solche Anmaßungen eigentlich nur kategorische Zurückweisung und ein kollektiver Aufschrei der Empörung sein könnte: Die türkisch-moslemischen Lobbyverbände setzen ihre Agenda um, wonach „Integration“ für sie nur als „Partizipation“, sprich Teilung der gesellschaftlichen und politischen Macht in Frage kommt; türkische Medien und Regierungspolitiker unterstützen sie dabei, indem sie massiv Druck machen und ihre hier lebenden Landsleute aufhetzen und in Alarmstimmung versetzen; und alle gemeinsam bevorzugen dabei ein in ganz Europa beliebtes und bewährtes Instrument, das der eloquente Türken-Funktionär ebenso zu schwingen versteht wie der deutschenhassende Straßenschläger oder der zypriotische Politiker, der sein Millionenschäfchen ins trockene gebracht hat und die eigenen und deutschen Sparer die Zeche zahlen lassen will: die Nazikeule, die Erpressung der Deutschen mit ihrer eigenen Vergangenheit. Weil Deutschland jedoch nun einmal kein normales Land ist, geht diese primitive, aber wirksame Strategie immer wieder auf. Noch jede türkische Dreistigkeit findet eine fünfte Kolonne in der politisch-medialen Klasse als Verstärker; und es sind keineswegs nur türkischstämmige Politiker und Journalisten, die das Geschäft der neuen Sultane und Wesire besorgen. Selbst Bundesregierung und SPD-Chef setzen sich auf einen Wink aus Ankara hin bereitwillig über die Unabhängigkeit der Gerichte hinweg. Manche Mitläufer mag die heilige Einfalt antreiben; die meisten aber dürften Zyniker des Machtgeschäfts sein, die sich Vorteile davon versprechen, einen geistigen Bürgerkrieg gegen das eigene Volk zu führen und sich dafür auch mit ausländischen Mächten zu verbünden. Nur vereinzelt regt sich gesichtswahrender Widerspruch; souveräne Verteidiger geltenden Rechts wie die bayerische Justizministerin Beate Merk sind seltene Ausnahmen.

Und die Deutschen? Die lassen die Schreibtischtäter und Profiteure der Multikulti-Ideologie gewähren wie eine Naturkatastrophe. Sie rennen nicht mehr zu Hunderttausenden zu „Lichterketten“, aber sie begehren auch nicht auf, allenfalls schimpfen sie im vermeintlich anonymen Internet. Fragt sich nur, wie lange noch. Mindestens so berechtigt wie gegen den Euro-Ausverkauf wäre eine Wahlalternative gegen die Selbstabschaffung Deutschlands von innen.

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