© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

„Kuba läßt grüßen“
Freie Wähler: Spitzenkandidat Stephan Werhahn tritt wieder der CDU bei und übt harsche Kritik
Henning Hoffgaard

Von jedem Rücktritt gibt es zwei Versionen: eine offizielle und eine wahre. Bei Stephan Werhahn, bis letzte Woche noch designierter Spitzenkandidat der Freien Wähler für die Bundestagswahl, ist das nicht anders. Die als Pressemitteilung verschickte offizielle Geschichte klingt bei Werhahn so: „Ich habe mir diesen Schritt nicht leichtgemacht, konnte aber die aktuellen Entwicklungen in der Partei nicht mehr mit gutem Gewissen mittragen.“

Die wirklichen Beweggründe sind andere. In einer E-Mail an Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, rechnet der Enkel Konrad Adenauers, der nie vergißt, auf seine Abstammung hinzuweisen, gnadenlos mit der Partei ab. „Wir zersplittern die Euro-kritische Bewegung und ebnen indirekt einem rot-rot-grünen Regierungswechsel wie schon in Niedersachsen den Weg, weil alle Euro-kritischen Wählerstimmen unter die Fünfprozenthürde fallen werden“, schreibt Werhahn. „Verheizen und verbrennen lassen für vergangene Fehler der Parteispitze soll sich jemand anderes.“ Einen Antritt, nur um in den Genuß der Wahlkampfkostenerstattung zu kommen, halte er nicht für ausreichend.

Der Ex-Spitzenkandidat weist Aiwanger darauf hin, daß die Chancen mit einer Bündelung der Euro-Kritiker wesentlich höher ausgefallen wären. „Darüber wurde nicht einmal eine innerparteiliche Diskussion und Gremienentscheidung zugelassen.“ Die Nachricht endet mit den Worten: „Kuba läßt grüßen.“ Der Rücktritt Werhahns, der wieder in die CDU eingetreten ist und für diese nun ein Bundestagsmandat anstrebt, kam überraschend. Erst im vergangenen Jahr war er öffentlichkeitswirksam von Aiwanger als Spitzenkandidat vorgestellt worden. Mit ihm sollte bürgerliches Protestpotential gewonnen werden. Der Erfolg blieb allerdings weitestgehend aus. Bei der Niedersachsenwahl erhielten die Freien Wähler 1,1 Prozent der Stimmen. Weit entfernt vom erhofften Einzug in den Landtag. Werhahn blieb blaß. Noch wenige Tage vor seinem Rücktritt schrieb er auf seiner Facebook-Seite: „Hallo Freie Wähler, wenn wir zusammenstehen und alle Kräfte mobilisieren, sind wir drin.“ Mit „drin“ war der Bundestag gemeint.

Zur CDU schrieb er: „Viele Wähler verlassen die CDU wegen ihrer chaotischen, widersprüchlichen und falschen Politik bei der ‘Euro-Rettung’.“ Nach seinem Wiedereintritt in die Union klingt das nun ganz anders: „Euro-Rettungsschirm-Kritiker können inzwischen auch wieder die CDU wählen.“ Werhahn ist weg, und die Freien Wähler stehen vor einem Problem. Viele Mitglieder, die einen Antritt zur Bundestagswahl ablehnen und sich eher auf die Kommunalpolitik konzentrieren wollen, wittern Morgenluft.

„Hubert muß weg!“, forderte etwa der saarländische Landesvorsitzende der Freien Wähler, Bernd Richter. Aiwanger wirft er vor, nur zur Bundestagswahl anzutreten, um „mehr Öffentlichkeit für den Landtagswahlkampf in Bayern“ zu bekommen. „Finanziell und organisatorisch“ sei ein Antritt bei der Wahl zum Bundestag „unmöglich“, sagt Richter der JUNGEN FREIHEIT. Deutschlandweit sei die Partei am Ende. Er berichtet auch, daß Aiwanger die Verhandlungen mit der Wahlalternative 2013 scheitern ließ. Richter und Aiwanger verbindet eine lange persönliche Feindschaft. Der saarländische Landeschef berichtet, wie er angeblich auf Aiwangers Betreiben hin abgewählt werden sollte. Erst das Schiedsgericht der Freien Wähler gab ihm recht.

Aiwanger wollte auf JF-Anfrage nicht zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Eine Landesliste für die Bundestagswahl will Richter nicht aufstellen. Die Freien Wähler wären damit im Saarland nicht auf den Wahlzetteln. Doch ganz so isoliert, wie der saarländische Landeschef es schildert, ist Aiwanger nicht. Der nord-rhein-westfälische Landesverband, der sich nach Richters Angaben gegen einen bundesweiten Antritt der Freien Wähler ausgesprochen haben soll, dementierte entsprechende Gerüchte. „Das ist einfach falsch“, sagte der Landesvorsitzende Rüdiger Krentz. Die Landesliste soll wie geplant am 13. April gewählt werden. Zwar erwartet Krentz auf dem Parteitag eine Debatte um die Bundestagswahl, glaubt jedoch, die Mehrheit am Ende hinter sich zu haben. Doch nicht nur interne Querelen dürften den Freien Wählern in den kommenden Wochen zu schaffen machen, sondern auch die „Alternative für Deutschland“ (AfD).

Nach JF-Informationen bereiten einige Landesvorsitzende der Freien Wähler bereits jetzt ihren Wechsel in die AfD vor. Aus dem Führungszirkel der Freien Wähler heißt es, viele Mitglieder, die vor allem wegen der Euro-kritischen Positionierung eingetreten waren, seien bereits zur Alternative übergetreten. Zurück bleiben diejenigen, die vor allem eines machen wollen: Kommunal- und Landespolitik. Der Landesvorsitzende von Berlin, Christian Schmidt, ist bereits zur AfD übergetreten und nahm auch einen Teil der schon aufgestellten Landesliste mit. Die Begründung: „Die Position zum Euro sei bei der AfD weit klarer als bei den Freien Wählern.“ Die übriggebliebenen Freien Wähler in der Hauptstadt wollen nun die Landesliste wieder auffüllen. Nicht nur in Berlin gibt es Übertritte. Gerade etwa in Bayern, wo die Freien Wähler gute Chancen haben, wieder in den Landtag einzuziehen, könnte die neue Partei ein Problem werden. 750 Mitglieder hat die AfD dort bereits nach eigenen Angaben. Eine endgültige Entscheidung über eine Teilnahme an der bayerischen Landtagswahl ist indessen noch nicht gefallen.

Bei der AfD bündelt man derzeit alle Kräfte für den am 14. April in Berlin anstehenden Parteitag. 800 Anmeldungen sind bereits eingegangen. Mittlerweile hat die Partei knapp 6.000 Mitglieder. Aiwanger will sich von der Konkurrenz allerdings nicht abschrecken lassen. Der Antritt zur Bundestagswahl sei fest geplant. Ob mit oder ohne das Saarland.

Foto: Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (links) und Stephan Werhahn: Gehen nun getrennte Wege

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