© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Generalermächtigung aus Brüssel
Zypern-Rettung: Bundesregierung und EU-Kommission verwickeln sich bei der Bankenrettung in Widersprüche
Paul Rosen

In der Woche vor Ostern war in Berlin das Wirken der amtlichen Dementier-Maschinen überall zu spüren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gab die Richtung aus: Zypern sei nicht mit anderen Ländern des Währungsraumes vergleichbar. „Zypern war ein ganz besonderer Fall, das wußte jeder“, war Schäuble zu vernehmen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier – wie immer staatstragend – pflichtete Schäuble bei: „Der Zypern-Plan ist richtig, muß aber ein Einzelfall bleiben.“

Regierung und Fraktionen in Berlin dämmerte schon, welche Auswirkungen die versuchte teilweise Enteignung von Sparern und die Einschränkung des freien Kapitalverkehrs auf das Gemüt der Deutschen hatten. In vielen Zeitungskommentaren hieß es wie in den Stuttgarter Nachrichten: „Den Menschen muß klar sein, daß ihr Geld nirgendwo mehr sicher ist.“ In Deutschland wurde alles an die finanzpolitische Front geworfen, was zur Beruhigung der Leute beitragen konnte. So sprach der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle, von einem positiven Zeichen, daß es auf Zypern keinen Ansturm auf die Banken gegeben habe. Er unterschlug, daß ein Ansturm auf die Filialen nichts gebracht hätte, da die Auszahlungshöhe begrenzt war.

Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, freute sich, daß die deutschen Sparer sich nicht hätten verunsichern lassen und ihr Geld nicht abgehoben hätten. Zugleich mußte aber auch Schmitz eine erhebliche Verunsicherung durch den Fall Zypern zugeben. Daß diese anhielt, dafür sorgte eine Aussage des niederländischen Chefs der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, der die auf Zypern stattfindenden Enteignungen von Bankkunden erst als Blaupause für Europa bezeichnet, dies dann aber wieder abgeschwächt hatte.

Wutentbrannt dementierte Dijsselbloems Vorgänger, der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker im ZDF: „Es gibt keine Blaupause. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als ob es zukünftig so wäre, daß Spareinlagen in Europa nicht sicher wären.“ Allerdings ist Juncker nicht unbedingt eine Vertrauensperson. Denn unvergessen ist ein anderer Satz von Juncker: „Wenn es ernst wird, muß man lügen.“

Dazu paßt eine Äußerung des niederländischen Zentralbankpräsidenten und EZB-Ratsmitglieds Klaas Knot in der Zeitung Het Financieele Dagblad, die in mehreren deutschen Medien aufgegriffen wurde. Danach soll Knot gesagt haben: „Es gibt an den Aussagen von Dijsselbloem nichts auszusetzen.

Der Inhalt seiner Bemerkungen bezieht sich auf einen Weg, der schon länger in Europa diskutiert wird. Dieser Weg wird Teil des Prozesses sein, wie in Europa Banken liquidiert werden.“ Daß die für die Zyprioten und Inhaber dortiger Konten eingeführten Kapitalverkehrskontrollen einen klaren Bruch europäischer Verträge darstellen, hatte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine (bereits vor der Zypern-Aktion gestellte) Kleine Anfrage der Linksfraktion, die sich nach wie vor gegen die Euro-Rettung in dieser Form stemmt, zugegeben: „Kapitalverkehrskontrollen innerhalb der EU sowie im Verhältnis zu Drittstaaten sind nach den europäischen Verträgen grundsätzlich verboten. Innerhalb der EU sind Ausnahmen hiervon, das heißt Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit, nur bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung denkbar.

An dieses Erfordernis sind sehr hohe Anforderungen zu stellen. Die Bundesregierung plant keine Initiativen, dies zu ändern (Bundestagsdrucksache 17/12633).“ Die Äußerung steht in direktem Widerspruch zu einer Erklärung der Brüsseler EU-Kommission, nach Artikel 63 bis 65 des EU-Vertrages seien Kapitalverkehrskontrollen möglich und zwar nicht nur bei Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die im Fall Zypern wohl kaum überzeugend hätte konstruiert werden können. Unter Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erklärte die Kommission, Kapitalverkehrskontrollen seien auch aus Gründen des öffentlichen Interesses erlaubt. Die aber waren von der deutschen Regierung ausdrücklich nicht genannt worden.

Damit hat sich Brüssel eine General- ralermächtigungsregel zurechtgebogen, um künftig den Geldverkehr in der gesamten Eurozone beschränken zu können. Denn öffentliches Interesse kann schon angenommen werden, wenn der berühmte Sack Reis in China umfällt. Von deutschen Politikern gab es hierzu keine Reaktionen. Ein einsamer Rufer war der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, der gegen die Zypern-Rettung stimmen will: „Wir werfen immer neue Brandbeschleuniger ins Feuer.“

Schäffler verlangte im Deutschlandfunk, man müsse auch Banken und Staaten pleite gehen lassen. Seine Prognose ist düster: Schäffler sieht „den Beginn einer großen Finanzkrise, die eine Krise des Geldsystems ist, die sich finalisiert“.

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