© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Alternativen sind denkbar
Euro-Krise: In fünf Schritten zurück zur D-Mark / Rückkehr zu nationalen Währungen ist möglich
Dirk Meyer

Ist der Euro nur eine Episode zwischen D-Mark und Neuer Deutscher Mark (NDM)? Mitnichten! Nach dreijährigen erfolglosen Versuchen der unsystematischen und realitätsfernen Ad-hoc-Rettung der Gemeinschaftswährung – abseits rechtsstaatlicher und demokratischer Grundsätze – wäre die Rückkehr zur D-Mark lediglich als Notbremse infolge einer Massenkarambolage der 17 Euro-Staaten vorstellbar. Die politisch-ökonomischen Schäden eines chaotischen Euro-Zusammenbruchs in Gestalt des drohenden Verlustes des gemeinsamen EU-Binnenmarktes und der politischen Union wären fatal.

Allein die Kosten durch Haftungsübernahmen (Griechenland, Rettungsfonds EFSF/ESM) und uneinbringbare Target-Salden (deutsche Forderungen gegen andere Euro-Notenbanken, JF 2/13) beliefen sich für Deutschland zur Zeit auf etwa 800 Milliarden Euro – das entspricht etwa einem Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Doch gerade aufgrund dieses Risikos darf ein Nachdenken über die NDM kein Tabu sein, will man für den Ernstfall gewappnet sein.

Wie sähen die Schritte einer Rückkehr zur D-Mark aus?

l Der erste Schritt wäre ein Bankfeiertag: Um die NDM als Hartwährung einzuführen, muß der Zufluß ausländischer Euro unterbunden werden. Nur ein Überraschungseffekt gewährleistet, den Kreis der NDM-Berechtigten auf die im Inland ansässigen Haushalte und Firmen zu begrenzen. Deshalb wird die Regierung an einem Wochenende eine Verordnung auf der Basis von Paragraph 47 Kreditwesengesetz verkünden, nach der Banken für einige Tage schließen und der Zahlungsverkehr mit dem Ausland ruht. Die Banken würden die Kontenbestände stichtagsbezogen festhalten, um so die Grundlage für eine spätere Währungsumstellung vorzubereiten. Darüber hinaus würden alle Bürger aufgerufen, am Tag der Öffnung der Bankschalter ihre Euro-Noten zwecks Stempelung oder Bekleben mit einer Art Briefmarke vorzulegen. Da das NDM-Bargeld erst hergestellt werden muß, erfolgt so bereits eine Kennzeichnung als Quasi-NDM-Geld mit höherer Kaufkraft.

l Der zweite Schritt ist die Rückholung der Währungssouveränität: Dies und die Beauftragung der Bundesbank machen eine Änderung von Artikel 88 (Währungs- und Notenbank) des Grundgesetzes notwendig. Zugleich muß ein Währungsgesetz verabschiedet werden.

Dies regelt den generellen Umtauschkurs (der Einfachheit halber eins zu eins), den Kreis der Berechtigten und legt gegebenenfalls differenzierte Umstellungskurse für bestimmte Geldvermögen fest. Allein der Gesetzgebungsprozeß benötigt als kürzeste Zeit etwa eine Woche. Deshalb ist die Erfassung der Kontenbestände bereits vor der eigentlichen Währungsumstellung notwendig, um vorgreifende Transaktionen und den Zustrom von Euro-Geld aus dem Ausland zu verhindern.

l Der dritte Schritt ist die Umstellung von Konten und Automaten: Während die Umstellung der Geld- und Sparkonten gemäß dem Umrechnungsfaktor problemlos erfolgt, benötigen die Softwareumstellung der Geldautomaten bzw. der Austausch der Leseköpfe bis zu einem halben Jahr. Das NDM-Bargeld wäre in etwa einem Jahr verfügbar und könnte gegen gestempelte Euro-Noten getauscht werden.

l Der vierte Schritt regelt die Währung in Altverträgen: Im internationalem Vertragsrecht gilt der Grundsatz, daß ein Vertrag in der Währung zu erfüllen ist, dessen Rechtsordnung er unterliegt. Während für inländische Schuldverhältnisse die NDM gelten würde, wären bei Auslandsbezug die NDM, der Euro oder eine andere nationale Währung denkbar. Bei deutschen Auslandsforderungen, die nicht in NDM zahlbar sind, hätten beispielsweise deutsche Exporteure einen Abwertungsverlust zu tragen.

l Der fünfte Schritt organisiert die Abwicklung der Altlasten und eine Vermögensabgabe: „Die deutschen Spareinlagen sind sicher“, verspricht die Bundesregierung. Doch da Deutschland die bereits eingegangenen Haftungen tragen muß und sich auch die Target-Kredite als uneinbringbar herausstellen könnten, liegt eine einmalige Vermögensabgabe seitens des Staates nahe, um sich von den kostenwirksamen Fehlern der Euro-Retter zu lösen. Doch damit wird deutlich: Eine Rückkehr zur D-Mark ist bei fortgeschrittener Krise nur zu immens hohen Kosten möglich.

Sie bietet nur eine Lösung für den absoluten Ernstfall. Eine zur jetzigen Zeit elegantere Möglichkeit, dieses Dilemma zu lösen, besteht in der Zulassung von nationalen Parallelwährungen. Hierbei gibt es zwei Varianten. Durch eine Änderung von Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hätte jedes Land die Möglichkeit, eine nationale Währung neben dem Euro einzuführen. Die nationale Zentralbank hätte damit zwei Abteilungen, einmal als Mitglied des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), und als Notenbank der nationalen Währung.

Das Monopol der Euro-Währung wäre beseitigt, die Bürger hätten die freie Wahl der Anlage- und Vertragswährung. Damit würde ein Gewinn an Sicherheit und eine Stabilisierung der Finanzmärkte einhergehen. Im Falle gravierender Verstöße gegen die Defizitregeln müßte das betreffende Land die dritte Stufe der Währungsunion (Euro-Zone) verlassen. Griechenland würde die „Neue Drachme“ einführen, dürfte jedoch im Einvernehmen mit der EU den Euro weiterhin als Zahlungsmittel behalten. Der Zugang zum Rettungsfonds ESM sowie zu den monetären Hilfen der EZB wäre aber versperrt. Der Euro-Zone wäre so der interne Druck zu Krisenhilfen genommen.

 

Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Volkswirtschaft an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. In seinem neuen Buch „Euro-Krise. Austritt als Lösung?“ (LIT Verlag 2012) analysiert er Euro-Austrittsalternativen wie Parallelwährungen, deren Folgen und konkrete Umsetzung.

www.hsu-hh.de

 

Aufgelöste Währungsunionen

In den vergangenen hundert Jahren sind in Europa mehrere Währungsunionen aufgelöst wurden. Die Krone war die Goldwährung Österreich-Ungarns. Infolge des Ersten Weltkriegs zerfiel mit der k.u.k. Monarchie auch das gemeinsame Geld. Die Lateinische Münzunion (1865–1926) scheiterte nicht nur am defizitären Griechenland, sondern auch an den unterschiedlichen Wirtschaftskonzepten von Belgien, Frankreich, Italien und der Schweiz. Die kriegerische Auflösung des Kunststaates Jugoslawien brachte das Ende des hyperinflationären Dinars – ökonomisch scheiterte die Währung am wirtschaftlichen Nord-Süd-Gefälle von Slowenien bis Mazedonien. Der sowjetische Rubel hinterließ letztlich 15 Währungen, die unterschiedlicher nicht sein konnten – vom Euro in Estland bis zum Somoni in Tadschikistan. Die friedlichste Auflösung einer Währung war das Ende der tschechoslowakischen Krone 1993. Die Slowakei gehört seit 2009 zur Euro-Zone. Die tschechische Krone hat hingegen zur Freude der Sparer aufgewertet: 1999 erhielt man für einen Euro über 38 Kronen, derzeit nicht einmal mehr 26.

Foto: Euro und Mark gemeinsam in der Geldbörse: Auch bei einer Wiedereinführung der D-Mark wird der Euro nicht sofort verschwinden

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