© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Auf der Jagd nach Elfenbein
Frankreich: Im Pariser Naturkundemuseum sägte ein Dieb den Stoßzahn eines Elefantenskeletts ab
Richard Stoltz

Kein Krimi hätte die Zutaten aufregender mischen können: Elfenbeinschmuggel, Osterfest, Sonnenkönig, Kettensäge, die rächende Hand aus dem Off, die den Täter unter der Last seines Diebesguts zusammenbrechen läßt und der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft. Auch die obligate Leiche fehlte nicht, wenn es auch keine Menschenleiche war, sondern eine Elefantenleiche, schon seit über dreihundert Jahren tot und ausgestopft im Naturkundemuseum.

Aber dafür lief das Ganze in Echtzeit, es war kein fiktiver „Tatort“, sondern ein brühwarmes Realgeschehen aus dem Paris der Ostertage 2013. Ein junger farbiger Franzose war in der Nacht zum Ostersonntag im Musée national d’histoire naturelle eingebrochen, um einem dort ausgestopften Elefanten mit einer mitgebrachten Kettensäge zumindest einen der langen Elfenbeinzähne abzusägen. Die Säge kreischte vernehmbar, doch keinem Aufseher fiel es auf, es war offenbar gar keiner anwesend.

Dabei war es kein gewöhnlicher Elefant, dem dieses widerfuhr, es war der berühmte Bulle, den einst der König von Portugal bei einem Staatsbesuch dem legendären französischen „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. mitgebracht hatte und der später nach seinem Tod ins Museum kam. Ein nationales Heiligtum geradezu. Und niemand hatte es rechtzeitig bemerkt!

Doch dem Himmel sei Dank! Als der Täter sich davonmachte, knickte er auf offener Straße unter der Last des Zahnes (und der Motorsäge) ein, verstauchte sich den Fuß und wurde von einer Polizeistreife aufgelesen und festgenommen. Er wollte, wie er später zu Protokoll gab, keine historische Ikone schänden, sondern lediglich das Elfenbein auf dem schwarzen Markt gewinnbringend verscherbeln.

Ob ihm das beim Prozeß als mildernder Umstand angerechnet werden wird? Oder vielleicht doch nur die unbestreitbare Tatsache, daß es ihm die Museums-aufsicht allzu leicht gemacht hat. Diese muß lernen: Auch Christi Auferstehung schützt vor Dieben nicht.

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