© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Zahnlose Abkommen
In Indonesien und Brasilien geht weiter Wachstum vor Waldschutz / Frustrierende Ökobilanzen
Christoph Keller

Auf die Frage, ob sie Hoffnung habe, 2030 in Brasilien noch Regenwälder, in Indonesien noch Urwald vorzufinden, antwortet Imme Scholz, Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, im aktuellen Magazin Politische Ökologie eher diplomatisch ausweichend. Für Indonesien jedenfalls, wo die Ölpalmplantagen unaufhaltsam in die Waldareale expandieren, scheint sie schwarzzusehen, denn hier lasse sich in der Öffentlichkeit kein mit Brasilien vergleichbarer ökologischer Bewußtseinswandel erkennen, um den Waldschutz durchzusetzen.

Im Amazonas-Staat seien hingegen „Akteure entstanden“, denen Scholz zutraut, im Interesse der Regenwälder ökologisch Druck auf Wirtschaft und Politik auszuüben. Eine eigene Protestbewegung habe seit 2000 den Waldschutz auf die „nationale Agenda“ gesetzt. Zuversichtlich stimmen zudem Meinungsumfragen, die „Amazonien“ als das wichtigste Umweltproblem Brasiliens ausweisen, und dies trotz der rasant steigenden Stadtbevölkerung, die eigentlich andere Ökosorgen habe, weil sie am meisten unter der Luftverschmutzung und der Vermüllung ihres Wohnumfeldes leidet.

Daß die EU die Entwaldung in tropischen Zonen mit politischen Mitteln bremsen könnte, hält Scholz für unwahrscheinlich. Brasilien etwa habe es stets abgelehnt, Wälder zum Gegenstand internationaler Verträge zu machen. Brüsseler und Berliner Appelle an die „globale Verantwortung“ für die Tropenwälder würden deshalb nicht nur in Brasilia mit dem Beharren auf eigener Souveränität gekontert. Und auf Kompensationszahlungen würden sich Entwicklungsländer zwar einlassen, aber das Geld dafür könne die EU nicht aufbringen.

So bleibt, wie der Biologe Manfred Niekisch, seit 2008 Direktor des Frankfurter Zoos, im Anschluß an Scholz ausführt, nur der „alternativlose“ Weg internationaler Übereinkommen. Obwohl die Geschichte der Umweltkonferenzen seit 1992, als in Rio de Janeiro das erste völkerrechtlich verbindliche Abkommen zur Erhaltung der globalen Biodiversität unterzeichnet wurde, wenig Optimismus nähre. Spezielle UN-Konventionen über tropische Wälder, aus denen die Hälfte des weltweiten Holzeinschlages, derzeit 3,1 Milliarden Kubikmeter, stamme, seien bisher politisch nie durchsetzbar gewesen. Trübe sehe die Bilanz eines bescheidenen Abkommens über die nachhaltige Tropenholznutzung von 1990 aus. Auch 2012 seien dessen für 2000 angepeilte Ziele „nicht annähernd“ erreicht. Ungeachtet seiner völkerrechtlichen Verbindlichkeit erlaube dieses „zahnlose“ Abkommen keinerlei Sanktionen oder Strafen.

Solche Resultate nennt Niekisch „frustierend“. Zugleich hofft er, daß im Umfeld derartiger Konventionen und Konferenzen die internationale Zivilgesellschaft ökologisch sensibilisiert und der lokale Protest indigener Gemeinschaften, Kleinbauern und Küstenfischer geweckt und gestützt werde. Der Umwandlung von Tropenwald in Soja-Monokulturen im südlichen Brasilien oder der Bewirtschaftung von Küstengebieten wie den Mangrovenwäldern des vietnamesischen Mekongdeltas durch Shrimp-Farmen könne so langfristig Widerstand entgegengesetzt werden.

Schwerpunktausgabe „Wald – Politische Spielräume zwischen Baum und Borke“ des Magazins „Politische Ökologie“ 132/13: www.oekom.de/

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