© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Alt-Marburg, wie bin ich dir gut?
Burschenschaften: Stadtrat votiert gegen Frühschoppen
Christian Vollradt

Gut fünfzig Jahre lang war der Marburger Marktfrühschoppen ein geselliges sommerliches Zusammensein von Bürgern der Oberstadt mit „ihren“ Studenten, feucht-fröhlich und harmlos und mit dem augenzwinkernden Rekord versehen, das „kürzeste Volksfest der Welt“ zu sein. Doch seit einigen Jahren heizte der Protest linker bis linksextremer Parteien und Gruppen gegen Frühschoppen-Teilnehmer vor allem aus den Reihen studentischer Verbindungen für eine ideologische Aufheizung. Es kam zu Drohungen, Farbbeutelattacken und gewaltsamen Übergriffen; im vergangenen Jahr verwehrte dann Marburgs Oberbürgermeister Egon Vaupel dem Veranstalter des Frühschoppens die Sondernutzungserlaubnis für den Marktplatz – aus Sicherheitsgründen (JF 26/12).

Nun hat die Stadtverordnetenversammlung der hessischen Universitätsstadt mit einer Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken sowie Piraten beschlossen, daß auch in diesem Sommer der Marktfrühschoppen nicht stattfindet. Begründung: Das Fest habe dazu geführt, daß „rechtslastigen studentischen Burschenschaften eine städtische Bühne geboten wurde“. Angesichts des prominent gelegenen Ortes entstehe der Eindruck, es handele sich um ein „städtisches Fest“, dies sei aber „nicht gewünscht“. Denn, so heißt es weiter, die Universitätsstadt „ist eine weltoffene, tolerante und gastfreundliche Stadt“.

Gegen den Antrag stimmten die bürgerlichen Fraktionen (CDU, FDP und Parteiunabhängige). Ihr Argument: Man könne nicht ein traditionelles Fest absagen, weil einem die Gesinnung einiger Teilnehmer nicht passe. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Philipp Stompfe warf den Antragstellern SPD und Grüne vor, erst durch sie werde „das Fest zu einem Politikum“.

Einem Antrag der Fraktion Marburger Linke jedoch, wonach „politische und öffentliche Aktivitäten studentischer Verbindungen und ihrer Angehörigen, die der Deutschen Burschenschaft angehören, in Marburg unerwünscht sind“ und diese mit allen „politischen und (verwaltungs-)rechtlichen“ Mitteln zu verhindern seien, schloß sich das Stadtparlament einstimmig an. Betroffen vom Bann der Kommunalpolitik sind die drei noch in der DB verbliebenen Marburger Burschenschaften Germania, Normannia (Leipzig zu Marburg) sowie Rheinfranken.

Warum in diesem Fall auch die CDU-Fraktion dem Antrag der Marburger Linken zugestimmt hat, obwohl die noch im vergangenen Dezember die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion ausdrücklich festgestellt hat, daß ihr „keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind“? Dahinter steckt offenbar keine Überzeugung, sondern reiner Opportunismus. Ein Insider berichtet dazu im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT, daß in einer ähnlichen Auseinandersetzung der CDU-Fraktionsvorsitzende durchblicken lassen habe, daß sich seine Partei nicht durch ein abweichendes Votum habe isolieren wollen. Die CDU-Fraktion hat eine Anfrage dieser Zeitung bis zum Redaktionsschluß nicht beantwortet.

Ob der Marktfrühschoppen dieses Jahr stattfinden wird, ist noch unklar. Oberbürgermeister Vaupel hat das Votum der Stadtverordneten als „politische Willensbildung“ zur Kenntnis genommen. Zunächst soll allerdings die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen abgewartet werden, bei dem noch eine Klage des Marktfrühschoppenvereins gegen die Nichtgenehmigung im Jahr 2012 anhängig ist.

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