© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Auf dem Prüfstand
Religion: Die Parteien diskutieren über eine Neuregelung der staatlichen Zahlungen an die Kirchen
Lion Edler

Daß ausgerechnet die Linkspartei sich in einem Gesetzentwurf auf einen Papst beruft, dürfte manchen Parlamentarier überrascht haben. Weil das kürzlich zurückgetretene Kirchenoberhaupt Benedikt XVI. für eine „Entweltlichung“ seiner Kirche warb, sehen die Sozialisten in ihm einen Verbündeten für ihr Anliegen, finanzielle Zuwendungen der Bundesländer an die Kirchen abzuschaffen.

Bei diesen Zuwendungen geht es nicht um die Kirchensteuer, sondern um zusätzliche Leistungen in Höhe von jährlich rund 480 Millionen Euro, die die beiden großen Kirchen als Ersatz für Klösterenteignungen während der Säkularisation erhalten. Rechtsgrundlagen sind vor allem das preußische Staatskirchenrecht im neunzehnten Jahrhundert und der Reichsdeputationshauptschluß von 1803, doch unterscheidet sich die Höhe der Zahlung je nach Bundesland aufgrund einer komplizierten juristischen Vorgeschichte. Verwendet wird das Geld primär für Verwaltungskosten, sowie für Ausbildung und Besoldung von Geistlichen.

Um das Vertragsverhältnis aufzulösen, fordert die Linke nun eine einmalige Entschädigung in Höhe des Zehnfachen des jährlichen Betrags. Diese Entschädigung soll innerhalb von 20 Jahren in Raten abgezahlt werden können. Damit will die Partei erreichen, daß einerseits die Haushalte der Länder nicht überlastet werden, andererseits aber auch den Kirchen nicht ein abruptes Ende der Zahlungen zugemutet wird, so daß sie sich auf den finanziellen Aderlaß vorbereiten können.

Die Partei verweist darauf, daß der Bund „nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919“ verpflichtet sei, ein Gesetz zu erlassen, auf dessen Basis wiederum die Länder ein Gesetz zur Ablösung der Leistungen zu erlassen haben. Trotzdem sei dieser über 90 Jahre alte Verfassungsauftrag nie umgesetzt worden.

Die Reaktionen der anderen Parteien sind durchaus unterschiedlich. Während etwa die sächsische FDP auf ihrem Landesparteitag Ende März beschlossen hat, daß die Zahlungen an die Kirche „auf den Prüfstand“ müßten, betonte der sächsische CDU-Fraktionschef Steffen Flath, daß seine Landtagsfraktion „geschlossen und uneingeschränkt“ hinter der derzeitigen Regelung stehe. SPD und Grüne im Bundestag zeigten eher Sympathie für den Antrag der Linken. Man verschließe sich der Debatte nicht, sagt der religionspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Josef Winkler der Welt. Wichtig sei aber, daß der Gesetzentwurf „in enger Abstimmung mit den Betroffenen“, also mit den Bundesländern und den Kirchen, erarbeitet werde. Der Entwurf der Linkspartei sei hingegen „ein konfrontatives Vorgehen“, das „schädlich“ sei.

Bei der Debatte im Bundestag zeigte sich ein ähnlich breites Meinungsspektrum, bei dem die Redner sich teilweise differenziert mit dem Antrag der Linken beschäftigten. Für die Linkspartei betonte der Abgeordnete Raju Sharma, daß der Antrag „überhaupt nicht kirchenfeindlich“ sei, daß aber die Kirchenleistungen ein „Relikt aus dem vorvorletzten Jahrhundert“ seien. Der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz beklagte, daß man als Bundestag nicht gerade stolz darauf sein könne, daß Deutschland seit 90 Jahren einen Verfassungsauftrag nicht erfülle. Man könne unter Umständen zu dem Schluß kommen, daß die jetzigen Zahlungen in Ordnung seien, doch müsse man dann ein entsprechendes Gesetz beschließen, damit der Verfassungsauftrag nicht ignoriert werde. Der FDP-Parlamentarier Stefan Ruppert sagte an die Adresse der Linken, daß es sich nicht um eine Rechtsposition handle, „die einseitig aufkündbar wäre“. In den neuen Bundesländern würden die Kirchen teilweise durchaus auf den Leistungen bestehen, da die Christen in der DDR einen schweren Stand gehabt hätten. Es gehe nun darum, mit den Kirchen zu sprechen und einen Kompromiß zu finden.

Ähnlich scheinen es auch die Kirchenfunktionäre zu sehen. Der evangelische Landesbischof der sächsischen Landeskirche, Jochen Bohl, signalisierte bereits Bereitschaft für Gespräche über eine Ablösung der Leistungen, „sofern diese fair und transparent geführt werden“.

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