© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Schäubles vergiftete Äpfel
Private Versicherungen: Die Euro-Krise und die geänderten Anleihebedingungen bei Bundeswertpapieren gefährden Finanzanlagen und Zahlungsversprechen
Wolfgang Philipp

Das Grimmsche Märchen kennt jedes Kind: Die böse Königin, die Schneewittchen seine Schönheit neidet, verkleidet sich als freundliche Bäuerin und schenkt Schneewittchen einen wunderschön aussehenden rotbackigen Apfel. Der ist aber vergiftet und soll die Empfängerin töten, damit die Königin wieder die Schönste wird. Daß Schneewittchen überlebt, ist ein Wunder.

Was hat diese Geschichte mit der Euro-Krise und den Bundesanleihen von Wolfgang Schäuble zu tun? Leider sehr viel: „Zypern ist und bleibt ein spezieller Einzelfall“, beruhigte der Finanzminister das deutsche Volk via Bild-Zeitung. Und der CDU-Politiker behauptete zudem: „Die Spareinlagen in Europa sind sicher.“ Das mag derzeit vielleicht noch nominal für Guthaben bei Sparkassen oder Volksbanken gelten, doch wer direkt oder indirekt (etwa als Riester-Sparer und Lebensversicherungskunde) in Schäubles Bundesanleihen investiert ist, hat nichts als immer mehr vergiftete Äpfel im Depot. Bundesanleihen galten bis 2012 als die sichersten Staatspapiere, mündelsicher und deckungsstockfähig für Versicherungen (JF 2/13).

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und deren Gelddruckmaschine haben allerdings dazu geführt, daß die vom Bund auf seine Wertpapiere zu zahlenden Zinsen auf ein nie erlebtes Tief gesunken sind: Sie rentieren sich je nach Laufzeit zwischen null und 2,1 Prozent, manche bringen sogar Negativzinsen. Trotzdem werden sie gekauft, weil wenig Alternativen vorhanden sind und diese Papiere vielen weiter als absolut risikolos und damit sicher gelten.

Schon hierbei wird aber eines nicht bedacht: Wer heute eine Bundesanleihe kauft, die sehr niedrig verzinslich ist, muß damit rechnen, massive Wertverluste zu erleiden, wenn die allgemeinen Zinsen wieder steigen. Die Papiere sollen zwar zum Ausgabekurs von meist 100 Prozent vom Bund wieder eingelöst werden. Wer sie aber vorher in einer Zinsanstiegsperiode verkaufen muß, kann sehr hohe Verluste erleiden, die 30 und mehr Prozent betragen können. Schon von daher bilden niedrig verzinsliche Bundesanleihen ein Kursrisiko, das in vielen Fällen weit höher ist als das Kursrisiko von Aktien solider Unternehmen.

Die gegenwärtig für Sparanlagen und vom Bund für seine Papiere gezahlten Zinsen liegen weit unter der offiziellen Inflationsrate – das freut den Finanzminister, der so sein Budgetproblem mildert. Der Substanzverlust für den Sparer und Anleger ist aber höher als die zufließenden Zinsen. Diese sind sogar zusätzlich noch mit einer Abgeltungssteuer in Höhe von rund 27 Prozent belastet, der Substanzverlust kann aber nicht gegengerechnet werden. Die Anleger erleiden schon jetzt beträchtliche Verluste, diese Inflationspolitik nützt nur dem Schuldner, hier also dem Staat. Auf diese Weise bezahlen die Sparer schon jetzt Schäubles Euro-„Rettungsschirmpolitik“.

Immer noch fast unbekannt ist die Tatsache, daß die vielgerühmte Sicherheit der Bundesanleihen längst offiziell dahin ist (JF 13/13). Seit 1. Januar dieses Jahres gilt als allgemeine Geschäftsbedingung aller Bundesanleihen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, daß der Bund sich jederzeit von seinen Verpflichtungen lösen, die Zinsen senken, die Rückzahlung ganz oder teilweise verweigern und auf diese Weise seine Gläubiger enteignen kann. Ein definierbarer oder gar rechtlich überprüfbarer Anlaß hierfür muß nicht gegeben sein, es genügt die bloße politische Entscheidung. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Staates ist nicht Voraussetzung.

Das Ganze wird betrügerisch als „Umschuldungsklausel“ bezeichnet, obwohl es keine solche ist, sondern eine Teilinsolvenz des Staates offenbart: Er zahlt seine Schulden teilweise nicht zurück, es handelt sich um eine Enteignungsklausel. „Umschuldung“ ist etwas ganz anderes. Ein solcher Enteignungsbeschluß soll zwar nur gefaßt werden dürfen, wenn die Gläubiger schriftlich oder in einer Gläubigerversammlung zustimmen. Die vorgesehenen Mehrheiten liegen aber zum Teil nur bei 50 oder weniger Prozent, die Masse der Gläubiger wird gegen ihren Willen betroffen und kann überstimmt werden. Die Details finden sich in den neuen Anleihebedingungen der „Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH“, welche die Anleihen des Bundes managt.

Besonders verheerende Wirkungen hat diese Entwicklung für die privaten Renten,- Lebens-, Kranken- und Pflegeversicherungen, die einen erheblichen Teil ihres zur Deckung der Versicherungsleistungen dienenden Vermögens in Bundeswertpapieren anlegen. Schon gegenwärtig reicht die niedrige Verzinsung dieser Papiere bei weitem nicht aus, die zum Teil noch (aus alten Verträgen) vier Prozent betragenden Vertragszinsen für Versicherungsleistungen zu decken. Dazu kommt im Falle von künftigen Zinssteigerungen ein hoher Abschreibungsbedarf, wenn diese Papiere im Handelswert verfallen. Nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) ist ihre Bewertung (auch wenn die Papiere gehalten werden sollen, bis sie wieder mit 100 Prozent zurückbezahlt werden) in den Jahresabschlüssen am Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag zu orientieren (Paragraphen 341 b und 253 HGB). Durch diese Abschreibungen können sehr erhebliche Verluste auftreten. Das gleiche gilt, wenn die Versicherung aus Liquiditätsgründen solche Papiere vor ihrer Endfälligkeit verkaufen muß oder will.

Fällt nun auch noch nach der beschriebenen Enteignungsklausel (Col­lective Action Clause/CAC, JF 5/13) die Sicherheit dieser Bundeswertpapiere weg, so ist die Zahlungsfähigkeit der betreffenden Versicherungen und damit auch die Kranken- oder Lebensversicherung der bei ihnen versicherten Kunden gefährdet. Aus diesem Grunde sind die einschlägigen Bundeswertpapiere auch für Versicherte „vergiftete Äpfel“. Sie stellen keine vertretbare Vermögensanlage mehr dar.

Vor diesem Hintergrund ist es für die Sparer tatsächlich inzwischen sicherer, ihr Geld in bar zu Hause oder im Schließfach bei ihrer Bank aufzubewahren, als es dem Staat durch Kauf einer Bundesanleihe anzuvertrauen – denn nur hier sind die Spareinlagen zumindest vor Schäuble & Co. sicher.

Neue Anleihebedingungen des Bundes: www.deutsche-finanzagentur.de

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