© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Pankraz,
Uwe Krüger und die korrupten Alphatiere

Wie korrupt darf ein politischer Journalist, gar ein „Alphajournalist“ eines „Leitmediums“, sein? Kann er überhaupt korrupt sein? Er genießt doch „Meinungsfreiheit“, er ist doch frei zu schreiben, was ihm Spaß macht, einerlei ob er dafür bezahlt wird oder nicht oder wieviel ihm bezahlt wird.

Natürlich sollte er sich bei seinem Schreiben an die Wahrheit halten, aber die Wahrheit ist bekanntlich ein weites Feld, besonders in der Politik. Die Sprache der Politik ist in jedem Fall und von Anfang bis Ende „peremptorisch“; es geht ihr nicht um Wahrheiten, sondern um Wirkungen. Ein politischer Artikel, ein Porträt von oder ein Interview mit einem Politiker interessieren nur insofern, als sie der Durchsetzung einer bestimmten Absicht dienen, einer Bekräftigung etwa, einer eiskalt berechneten Provokation oder dem Fertigmachen eines Gegners. Politischer Journalismus ist Schachspiel und nichts anderes.

Trotzdem spricht man neuerdings in vielen Quartieren intensiv über korrupte Journalisten, speziell über korrupte Chefkorrespondenten, Sonderermittler, mit hohen Politikern engstens liierte Schmutzaufwühler. Seitdem vorigen Monat in den USA die Fernsehserie „House of Cards“ („Kartenhaus“) angelaufen ist, eine geschickt aktualisierte Reprise der legendären BBC-Serie aus den neunziger Jahren, hallt drüben sogar der „Small talk“ an den Arbeitsplätzen und in den Kneipen wider von Abscheureden über die Korruptionsexzesse bekannter journalistischer Alphatiere.

Und zur gleichen Zeit wie in den USA „House of Cards“ erschien hierzulande das Buch „Meinungsmacht. Der Einfluß von Eliten auf Leitmedien und Alphajournalisten“ (Herbert von Halem Verlag, Köln 2013, 320 Seiten, 29,50 Euro). Ungeachtet seines kühlen Titels wirkt es bei der Lektüre wie der wissenschafliche Generalbaß zu den Trompetenstößen des öffentlichen „Small talks“. Sein Autor Uwe Krüger, promovierter Leipziger Medienexperte vom Jahrgang ’78, hält sich nicht lange mit Allgemeinheiten auf, kommt sofort zur Sache selbst – und benennt ungeniert Roß, Reiter und üppig belohnte Steigbügelhalter.

Krüger identifiziert verschwiegen agierende „Hintergrundkreise“ jeglicher Couleur (allein 26 in Berlin) und zählt die beteiligten Chefredakteure, Herausgeber und sonstigen Großbakschischeinnehmer auf, die für höchste Honorare Banken und Industriekonzerne „beraten“ oder beraten haben. Josef Joffe (Die Zeit), erfährt man, berät oder beriet die HypoVereinsbank, Stefan Aust (Der Spiegel) und Helmut Markwort (Focus) die Deutsche Telekom. Das einträglichste Netzwerk betrieb offenbar Markus Schächter, bis 2012 Intendant des ZDF, dem Verbindungen zu zwanzig lukrativen „Netzwerken“ vorgerechnet werden.

Ein Kapitel für sich bilden in dem Buch die festen (und angeblich ebenfalls recht ertragreichen) Beziehungen deutscher Alphajournalisten zu US-amerikanischen „Think tanks“ und anderen dortigen Stichwortgebern, die sich laut Krüger direkt in den Artikeln und redaktionellen Arrangements der „Alphas“ niederschlagen. Ausführlich analysiert wird in diesem Zusammenhang das Wirken von Klaus-Dieter Frankenberger (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Josef Joffe (Die Zeit), Stefan Kornelius (Süddeutsche Zeitung) und Michael Stürmer (Die Welt), wobei tatsächlich eine Menge erstaunlicher Parallelitäten auftauchen.

Die bekannte Schweizer Kommunikationsforscherin Christiane Lesmeister (die in solchen Fragen sehr kompetent ist, weil sie selbst einen schönen, offen einbekannten Vertrag mit dem deutschen Autounternehmen Porsche hat) läßt denn auch nicht den geringsten Zweifel daran, daß die festen, meist vertraglich fixierten Kontakte, welche die Alphajournalisten mit wirtschaftlichen und/oder politischen „Elite-Instituten“ unterhalten, gewissermaßen die Grundstruktur der sogenannten Leitmedien in einem Lande bilden. „Sie liefern keineswegs nur, wie viele glauben, das Salz in der Suppe der Information, sondern sie sind die Suppe selbst.“

Auch Uwe Krüger ist dieser Meinung, sie ist das Leitmotiv seines Buches. Die Alphatiere in den Leitmedien, so sein Resümee, besorgen das Geschäft der jeweils Herrschenden, sie sind ein Teil von ihnen und bedienen wie selbstverständlich deren Codes. Freilich sei es „nicht hilfreich“, führt er aus, „wenn Journalisten in Geheimgremien agieren (…) Journalisten, die Mitwisser und Mitgestalter vertraulicher Politikplanungsprozesse sind, kommen zwangsläufig in Interessenkonflikte, in denen die Rücksichtnahme auf Akteure bzw. ein gemeinsames Projekt der umfassenden Information der Öffentlichkeit gegenübersteht.“

„Oh unschuldsvoller Engel du!“, kann Pankraz da nur seufzen. Aus der Geheimhaltung gewinnträchtiger Konnektionen besteht doch gerade der Sinn des Ganzen! Nur so wird man doch zum Alphatier. Nur so kann der Eindruck von publizistischer Souveränität und höchster eigener Durchblickkraft erzeugt werden. Nur so kann man sich auch öffentlichkeitswirksam aufregen über die Korruption in anderen Branchen und Weltgegenden, wo die moralischen Standards eben empörenderweise nicht so hoch und das Licht der Transparenz nicht so intensiv ist wie im eigenen Geschäftsbereich.

In der Fernsehserie „House of Cards“ gibt es Szenen, die zwar bei den Zuschauern prächtig ankommen und manchmal richtige Begeisterung auslösen, die aber leider nicht sehr realistisch sind und der Wirklichkeit des politisch-medialen Komplexes geradezu hohnsprechen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Schauspieler gegen die sogenannte „vierte Wand“ sprechen, also sich direkt ans Publikum wenden und die Handlungen und Sentenzen der von ihnen dargestellten Politiker beziehungsweise Alphajournalisten sarkastisch kommentieren.

In der politisch-medialen Wirklichkeit unserer Tage gibt es weder für Politiker noch Alphajournalisten eine „vierte Wand“. Sie sind keine Schauspieler, sondern immer nur Selbstdarsteller, selbst wenn sie zu schauspielern glauben. Gerade dann.

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