© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Lockerungsübungen
Seepferdchen mit Flügeln
Karl Heinzen

Ein waches Auge für das Weltgeschehen ist die Kernkompetenz, über die ein deutscher Außenminister verfügen muß. Jeden Tag ist rund um den Globus eine verwirrende Fülle von Ereignissen zu verzeichnen. Manches erscheint zunächst wichtig und stellt sich erst im nachhinein als irrelevant heraus. Anderes wiederum mutet anfänglich wie eine Bagatelle an und zeitigt erst später mitunter sogar dramatische Konsequenzen.

Alles zu kommentieren, würde die personellen Ressourcen des Auswärtigen Amtes wohl schlichtweg überfordern. Manches ist aber bereits auf Anhieb so interessant, daß man den Anspruch der Weltöffentlichkeit, dazu eine Stimme aus Berlin zu hören, nicht ignorieren kann. So hat Außenminister Guido Westerwelle in einem Telefonat mit seinem südkoreanischen Amtskollegen darauf hingewiesen, daß Besonnenheit das Gebot der Stunde ist. Dieser wertvolle Hinweis wird Seoul nun in die Lage versetzen, die Drohgebärden aus Pjöngjang deeskalierend zu unterlaufen.

Kurz zuvor hatte Westerwelle von seinem Dienstsitz aus die Lage in der Zentralafrikanischen Republik als unübersichtlich gedeutet. Gerade deshalb appellierte er wohl an alle Beteiligten am Bürgerkrieg, größte Zurückhaltung zu üben, den Dialog zu suchen und sich um die Rückkehr zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zu kümmern. Wo es ihr möglich ist, läßt die deutsche Außenpolitik ihren Worten sogar Taten folgen: So wurde der Türkei unlängst die 2005 gestohlene Goldbrosche „Seepferdchen mit Flügeln“ zurückgegeben, womit Berlin seinen Einsatz für die Bekämpfung des illegalen grenzüberschreitenden Handels mit Kulturgütern unterstrich.

So verworren die Zusammenhänge der globalen Politik auch sind, so klar sind die Kriterien, nach denen sie Guido Westerwelle bewertet: Es geht ganz schlicht um eine gerechte, friedliche und demokratische Weltordnung. Da dies ein Ziel ist, von dem alle internationalen Verträge und Deklarationen getragen sind und das von allen gutwilligen Menschen geteilt wird, könnte die Frage aufkommen, wozu man dann überhaupt noch eine nationale Außenpolitik braucht. Sie ist leicht zu beantworten: Der Weg zu diesem Ziel ist bislang nicht erkennbar, und zwischen den demokratischen Staaten ist ein Ideenwettbewerb entbrannt, um endlich fündig zu werden. Mit Guido Westerwelle ist das Auswärtige Amt in ihm bestens aufgestellt.

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