© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Den Nerv getroffen
Neue Partei: Die „Alternative für Deutschland“ sorgt für Unruhe unter den Etablierten
Paul Rosen

Ein-Thema-Partei oder Anti-Euro-Partei. Gegen die am vergangenen Sonntag gegründete „Alternative für Deutschland“ (AfD) läuft die übliche Propagandamaschinerie der Etablierten an. Nachdem die von Bernd Lucke angeführte neue Bewegung zuerst ignoriert wurde, wird sie jetzt mit bestimmten Klischees bedacht: „Ihrem Ruf als Professorenpartei wurde die AfD indessen voll gerecht“, meldete der Tagesspiegel und zählte die Vorstandskandidaten, die akademische Grade hatten, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, denn gerade bei CDU/CSU und FDP hat der Anteil prominenter Promovierter in der letzten Zeit sichtbar abgenommen. Doch unverdrossen meldet der Focus: „Prominente Übertritte kann die AfD bislang nicht vermelden, dafür schon jetzt die wohl größte Professorendichte an der Spitze.“

Hinter den Meldungen stecken Stichwortgeber aus den Parteizentralen. Der Focus läßt dies deutlich durchblicken: „Klammheimlich setzen die Strategen der klassischen Parteien auf die Selbstzerfleischung der AfD.“ Und sie setzen auf die zahlreichen organisatorischen Hürden, die die etablierten Parteien in den letzten Jahrzehnten gegen unliebsame Wettbewerber errichtet haben. Man hofft, daß Lucke und seine Mitstreiter es nicht schaffen, binnen weniger Wochen eine schlagkräftige Organisation mit Wahlkreisverbänden aufzustellen: „Und da läßt die angebliche Alternativbewegung noch einige Fragen offen“, wird der Parlamentarische Geschäftsführer von CDU/CSU Michael Grosse-Brömer zitiert.

Grosse-Brömer ist so etwas wie der Kettenhund der Unionsfraktion, wenn deren Chef Volker Kauder nicht weiß, was er sagen soll. „Die Forderung nach einem Zurück zur D-Mark ist gefährliche Nostalgie“, bellt Grosse-Brömer und hat offenbar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Meldung übersehen, daß der Euro seit seiner Einführung 20 Prozent des Wertes verloren hat, nach alternativen Berechnungen 40 Prozent.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring findet es „schon beunruhigend, daß sich eine Vereinigung bildet, die den Eindruck erweckt, als könne Deutschland ohne Schaden für die Ersparnisse und das Vermögen der Deutschen mal so eben seine Währung wechseln“. Döring übersieht, daß die EU-Kommission gerade Pläne ausarbeitet, die ausdrücklich Schaden für die Sparer vorsehen, wenn sich die Banken mit Schrottpapieren von Euro-Staaten übernommen haben, die sie auf Geheiß der Politiker zu kaufen hatten. Die Leute werden ihr Geld schon los, ohne daß der Euro abgeschafft wird. Zypern läßt grüßen.

Geradezu als Philosoph betätigt sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Alternative sei schon deshalb keine Gefahr für die Union, weil sie keine Alternative sei. Bei Herrmann handelt es sich um das sprichwörtliche Pfeifen im Walde, wo Altvater Franz Josef Strauß herumspukt, dessen Mahnung „Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“ von seinen Diadochen schamlos mißachtet wurde.

Jetzt ist sie da, die neue Partei. Es kommen aus der Breite des deutschen Mittelstandes und gebildeter Schichten Leute, die die Dinge in die Hand nehmen und gestalten wollen. „Die Parteien wirken an der Willensbildung des Volkes mit“, heißt es im Grundgesetz. Den Willen des Volkes nehmen Grosse-Brömer und Döring schon lange nicht mehr wahr, sie reden auch gar nicht mehr vom Volk, vom deutschen erst recht nicht.

Der politisch-mediale Komplex versucht natürlich, ausgerechnet Konservative in der Koalition gegen die AfD in Stellung zu bringen und entlockt via Bild-Zeitung dem hessischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Christean Wagner die Bemerkung, die AfD sei wie „ein Sprung zurück ins vergangene Jahrtausend“. Das hätte Wagner genausogut über den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück sagen können. Frank Schäffler (FDP) sagt hingegen in der Frankfurter Rundschau unbequeme Wahrheiten: Die AfD greife die CDU „aus dem konservativen Lager an und stößt damit in eine Lücke, die sie seit Jahren offengelassen hat“.

Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) beschwört – ganz im Stil ihrer Chefin in Berlin – die Alternativlosigkeit des Euro, „und eine Renaissance der Nationalstaaten in Europa sehe ich auch nicht“, womit sie zugibt, keine Kenntnisse von den deutschen Nachbarstaaten zu haben, die sich allesamt als Nationalstaaten, aber gewiß nicht als Zivilgesellschaft rot-grüner Prägung verstehen.

Womit man bei Claudia Roth (Grüne) wäre. Es wäre eine Enttäuschung gewesen, wenn sie nicht von „Nationalstaats-Nostalgie“ gesprochen hätte. Und von Erich Honeckers Erben wäre man überrascht gewesen, wenn sie die AfD nicht als „derzeit gefährlichste Partei am rechten Rand“ (Linkspartei-Chef Bernd Riexinger) bezeichnet hätten.

Hier zeigt sich die geistige Leere der Etablierten nach über sechs Jahrzehnten Machtausübung in Bonn und Berlin. In anderen europäischen Ländern sind längst Parteien abgestorben und neue entstanden, ohne daß diesen Nationen das Prädikat Demokratie abgesprochen würde. Nur in Deutschland soll die Zeit stehenbleiben. Man sehnt sich immer noch nach dem großen Schatten der Mauer, in dem es sich so bequem leben ließ. Aber das einzig Beständige ist der Wandel. Er erreicht gerade den erstarrten Berliner politisch-medialen Komplex.

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