© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Kamikazekurs
dapd: Eine Nachrichtenagentur weniger / Die Geschichte hinter der Unternehmenspleite
Gernot Facius

Das Experiment begann 1971 bescheiden in gemieteten Räumen des Bonner Konrad-Adenauer-Hauses, es wurde bescheiden fortgesetzt in einer kleinen Villa am Rand des damaligen Parlamentsviertels, und es endete spektakulär am 11. April 2013, gegen 17 Uhr, in der Reinhardtstraße in Berlin: Die Nachrichtenagentur dapd, im Jahr 2010 hervorgegangen aus dem ehemaligen Deutschen Depeschendienst (ddp) und dem deutschen Ableger der amerikanischen AP, ist nach Monaten der Agonie einen absehbaren Tod gestorben.

Das ehrgeizige Ziel, dem Platzhirsch dpa auf Dauer mit einer zweiten deutschen „Vollagentur“ Konkurrenz zu machen, hat sich als unrealistisch erwiesen. Aus der Traum. Zuletzt, da war schon zweimal Insolvenz angemeldet, klammerte man sich an die vage Hoffnung, ausgerechnet die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti könnte als Retter ins Boot geholt werden.

Zum ersten Mal hätte ein russisches, staatlich dominiertes, Medienunternehmen seinen Fuß auf den deutschen Nachrichtenmarkt setzen können. Was hätte das für die journalistische Unabhängigkeit bedeutet? Bei den Medienpolitikern leuchteten die Warnlampen auf.

Doch auch die Moskauer sagten ab. Sie sahen wohl keine Perspektive, angeblich lag die Zustimmung der Gesellschafter für eine Beteiligung an der Sanierung nicht vor. dapd wird abgewickelt, die verbliebenen 175 Mitarbeiter erhalten nur noch bis Ende des Monats Insolvenzgeld. Eine Katastrophe für die Redakteure und freien Journalisten. Sie stehen nun mit dem Personal der eingestellten Financial Times Deutschland und der radikal abgespeckten, unter das Dach der FAZ geschlüpften Frankfurter Rundschau im Wettbewerb um die raren freien Stellen bei Presse und Rundfunk.

Das Ende von dapd: Symptom einer generellen deutschen Medienkrise? So möchte das Ulrich Ende, ehemaliger Geschäftsführer des Nachrichtensenders N24, sehen. Zusammen mit weiteren potentiellen Investoren hatte Ende vom 1. Februar an versucht, die Agentur aus der Insolvenz zu führen. Doch schon im März mußte er eingestehen, daß die Zusagen nicht eingehalten wurden.

Es floß kein neues Geld. Hinzu kamen, wie er sagte, „externe Gründe“: Die Lage sei sehr schwierig geworden, „weil die Verlage stark sparen“. Dem läßt sich kaum widersprechen, aber dennoch ist das nur die halbe Wahrheit. Es gibt zweifellos noch andere Gründe für das wirtschaftliche Debakel: hausgemachte.

Sie gehen vor allem auf das Konto der Finanzinvestoren Martin Vorderwülbecke und Peter Löw, die 2010 angetreten waren, den deutschen Agenturmarkt zu erobern. Als Branchenfremde. Ihr Konzept, wenn es denn eines war, sah recht simpel aus: Expandieren und Klotzen.

Das Duo ging auf eine waghalsige Einkaufstour. Nicht nur der deutsche AP-Dienst wurde, für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag, ddp angegliedert. Wie die von Zeitungsverlagen und Rundfunkanstalten getragene und so einigermaßen solide finanzierte dpa legte sich die nun als dapd firmierende, aber finanziell chronisch klamme Agentur mehrere Beiboote zu: ddp images für Einzelbildvermarktung, ddp direkt für PR-Dienstleistungen und kunden­individuelle digitale Angebote. Ein Komplettangebot in der Sportberichterstattung sollte die Attraktivität von dapd erhöhen. In Frankreich wurde eine Agentur erworben: ein Angriff auf die große AFP, gegen die Vorderwülbecke und Löw zudem Wettbewerbsklage in Brüssel einreichten. Vorübergehend gelang es, die dpa bei Aufträgen des Bundes auszustechen.

Bald wurden die „oft großmäuligen Investoren“ (Süddeutsche Zeitung) allerdings von der Realität eingeholt: Expansion und eine aggressive Politik mit Dumpingpreisen sind keine Erfolgsgarantien. Kunden fiel auf: Rein quantitativ hatte das dapd-Angebot zugenommen, qualitativ ließ es nach. Präziser, näher am Leser und exklusiver, so hatten die Agenturchefs die angeblichen Vorzüge ihres Dienstes herausgestellt. Aber genau diesen Anspruch hatte sich die dpa auf die Fahne geheftet.

Die Truppe von Vorderwülbecke und Löw hechelte hinterher, suchte mit einer zunehmend frustierten Mannschaft im selben Teich zu fischen. Da half es auch wenig, daß als quasi vertrauensbildende Maßnahme ein Beirat mit Otto Schily (SPD), Dieter Stolte (Ex-ZDF-Chef) und Wilfried Scharnagl (CSU) installiert worden war.

Im Oktober 2012 drehten die Investoren den Geldhahn zu, angeblich hatten sie pro Monat eine Million Euro zugeschossen. Und als die New Yorker AP-Mutter mit ihrem deutschen Partner brach, geriet dapd vollends ins Schlingern. Das Unternehmen scheiterte am Kamikazekurs seiner Manager. Nicht so sehr an den veränderten Marktbedingungen. Deshalb taugt die Causa dapd nicht für ideologische Spielchen: für Überlegungen, das öffentlich-rechtliche Rundfunk-Finanzierungsmodell auf andere Medienbereiche, darunter auch Agenturdienste, zu übertragen.

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