© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Haltungsnote
Weltstar für fünf Minuten
Ronald Gläser

Über Generationen hinweg hat die Familie von Viktor Kasper die Erinnerung an „die Heimat“ bewahrt und die deutsche Muttersprache an die Kinder weitergegeben. Er ist Rußlanddeutscher und wuchs in Sibirien auf. Vor zwanzig Jahren entschieden er und seine Frau, die asiatische Steppe zu verlassen und in jene Heimat der Vorfahren zurückzukehren, von der die Eltern und Großeltern immer erzählt hatten – ohne sie selbst gekannt zu haben. Wie groß war der Schreck über das real existierende Deutschland!

Der Jurist erlebte einen Kulturschock der besonderen Art. Er kam in ein Land, in dem es zum guten Ton gehört, sich seiner selbst zu schämen. In der die Kinder in der Schule eher John-Lennon-Lieder lernen als die Nationalhymne. In dem Schwarzrotgold höchstens beim Fußball gezeigt wird, aber nicht bei politischen Veranstaltungen.

Kasper, wohnhaft in Hannover, hat sich so etwas schon gedacht und deswegen morgens eine Schärpe in den Nationalfarben eingesteckt. Die werde ich auf dem Parteitag der AfD tragen, dachte er sich. „Ich liebe mein Land“, sagte er freudestrahlend mit russischem Akzent.

Gesagt, getan. Und weil Kasper der einzige war, der so dachte, wurde er dort zum Blickfang für die Fotografen. Kaum, daß der Parteitag begonnen hatte, ging das Foto von Viktor Kasper schon um die Welt. Selbst in Japan wurden Artikel mit ihm bebildert.

Einige seiner neuen Parteifreunde fanden die Idee nicht so gut, nahmen ihn sogar ins Gebet. Kasper versteht das nicht. „Warum hängt da keine Fahne im Saal?“ fragte er empört und zeigt auf das Hotel. Ja, warum eigentlich nicht? Es hätte der Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt, nicht geschadet, wenn sie Schwarzrotgold gezeigt hätte. Kasper kann aber auch mit den Parteifarben gut leben: Blau, weiß, rot. „Sieht ein bißchen aus wie die russische Flagge“, lacht er. Taylors Beurteilung ein Körnchen Wahrheit steckt?

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