© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Nach dem Anschlag von Boston
Überall Reflexe
Christian Vollradt

Man kann die Uhr danach stellen: Als in Boston – unter anderem dank moderner Videoüberwachung – die zwei des grausamen Bombenanschlags auf den Marathonlauf Tatverdächtigen aufgespürt und dingfest gemacht werden konnten, ertönte auch bei uns vor allem von CDU/CSU der Ruf nach mehr Kameras an öffentlichen Plätzen. Und sogleich hebt das Protestgeschrei derjenigen an, die darin den Überwachungsstaat wittern, vornehmlich von seiten der Grünen, die solche Forderungen dann „reflexhaft“ nennen. Genauso reflexhaft, könnte man ergänzen, wie nach jedem Amoklauf die Forderung der Grünen nach einer schärferen Überwachung von Besitzern legaler Waffen.

Natürlich können Kameras zur Aufklärung von Verbrechen beitragen. Beim versuchten Anschlag auf einen Zug in Köln im Juli 2006 war das so; beim versuchten Kofferbombenattentat auf den Bonner Hauptbahnhof im Dezember 2012 wurde ein Verdächtiger aufgezeichnet, jedoch noch nicht eindeutig identifiziert. Doch sinnvoller als alle unterschiedslose Überwachung ist die zielgerichtete Wachsamkeit. Das hieße auch, nicht auszublenden, welchen gemeinsamen Hintergrund die meisten derjenigen hatten, welche – in Boston wie in Bonn – die „weichen“ Ziele unserer „offenen“ Gesellschaft ins Visier nahmen: mutmaßlich einen islamistischen. Aber das ist nur ein konservativer „Reflex“, könnte man reflexhaft einwenden ...

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