© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

„Es droht Rot-Grün“
Hat die „Alternative für Deutschland“ eine Chance, die Politik zu verändern? Hugo Müller-Vogg warnt vor den Gefahren.
Moritz Schwarz

Herr Dr. Müller-Vogg, Sie sind selbst Kritiker der Euro-Rettung. Warum ärgert Sie das Erscheinen der „Alternative für Deutschland“?

Müller-Vogg: Wie kommen Sie darauf?

In der „Bild“-Zeitung warnen Sie vor deren „Polit-Amateuren“, die „kein Konzept für die Zukunft Europas“ hätten.

Müller-Vogg: Wer, wie der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke, sein Leben lang Hochschulprofessor war, kann kein Polit-Profi sein, ist folglich Amateur. Außerdem: Schauen Sie doch selbst in das Wahlprogramm der AfD: Es gibt keinerlei Auskunft, wie Europa konkret aussehen soll. Also: Das sind Feststellungen, keine Schmähungen.

So wurden sie aber verstanden.

Müller-Vogg: Ich weiß, ich habe viele wütende Zuschriften bekommen. Damit es kein Mißverständnis gibt: Wenn wichtige Themen wie etwa die Frage des Euro-Ausstiegs aufkommen und die vorhandenen Parteien sie nicht aufgreifen, werden neue gegründet. So funktioniert Demokratie. So sind die Grünen, die Schill-Partei, die WASG und die Piraten entstanden.

Was kritisieren Sie dann?

Müller-Vogg: Daß die AfD behauptet, sie könne die Euro-Politik grundlegend verändern. Dabei könnte sie die Euro-Rettung eher verteuern.

Inwiefern?

Müller-Vogg: Schafft die AfD im Herbst den Einzug in den Bundestag und es reicht nicht für Schwarz-Gelb, kommt es entweder zu einer großen Koalition, die den bisherigen Euro-Kurs fortsetzt, oder es kommt zu Rot-Grün und dann drohen uns Eurobonds! Darüber sollte sich jeder potentielle AfD-Wähler im klaren sein.

Das heißt, Wahlen ändern nichts?

Müller-Vogg: Wahlen können viel verändern. Aber die AfD hätte selbst mit fünf oder zehn Prozent keinen Koalitionspartner. Die Grünen haben 16 Jahre gebraucht, ehe sie im Bund etwas bewirken konnten.

Also was tun?

Müller-Vogg: Das muß jeder selbst wissen, ich weise nur auf die Lage und mögliche Konsequenzen hin.

AfD-Sprecher Konrad Adam war Ihr Kollege bei der „FAZ“, und auch Vize-Sprecher Alexander Gauland, der gelegentlich für Ihre Zeitung schrieb, kennen Sie persönlich. Warum haben diese denn die AfD gegründet, wenn alles so aussichtslos ist, wie Sie meinen?

Müller-Vogg: Adam und Gauland sind ohne Zweifel kluge Köpfe und respektable Persönlichkeiten. Aber Ihre Frage können nur diese beiden Herren beantworten.

Sie gelten doch selbst als bürgerlicher Kritiker des CDU-Kurses unter Kanzlerin Merkel. Eigentlich gehören Sie genau zur Zielgruppe der Partei und müßten auch Mitglied der AfD sein!

Müller-Vogg: Nein, ich bin Journalist, kein Politiker. Nach meinem Ausscheiden bei der FAZ hatte ich 2001 zwei interessante Angebote, in die Politik zu gehen. Ich habe beide abgelehnt. Ich leiste meinen Beitrag lieber als Beobachter und Kommentator.

Als solcher werfen Sie der AfD vor, eine Ein-Themen-Partei zu sein.

Müller-Vogg: Ihr Thema ist der Euro, garniert mit ein paar konservativen Parolen.

Vielleicht ist sie ja die bürgerliche Alternativpartei, über die schon seit Jahren spekuliert wird – die sich nun lediglich um das Thema Euro-Rettung gruppiert.

Müller-Vogg: Mag sein. Doch Tatsache ist, das AfD-Programm zeichnet sich durch eine verblüffende Unverbindlichkeit aus. Etwa heißt es da: Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft wird gestärkt. Wunderbar! Nur, was bedeutet das bitte? Mehr Kindergeld? Höhere Freibeträge? Familiensplitting? Mehr Betreuungsgeld? Mehr Kitas?

Was vermuten Sie dahinter?

Müller-Vogg: Natürlich verstehe ich, daß die Zeit für ein ausführliches Grundsatzprogramm bis zur Wahl sehr knapp ist. Aber hinter dieser demonstrativen programmatischen Unverbindlichkeit steckt auch Kalkül.

Inwiefern?

Müller-Vogg: Man bleibt im Ungefähren, weil man so Unzufriedene einsammeln kann, ohne jemanden durch klare Aussagen zu verprellen. Selbst beim Thema Euro läßt die AfD offen, ob sie zurück zur D-Mark will – mit katastrophalen Folgen für Export und Arbeitsplätze. In gewisser Weise erinnert mich die AfD an die Piraten: Man weiß, wogegen sie sind, aber nicht wofür.

Auf jeden Fall für eine Alternative.

Müller-Vogg: Sie machen es sich zu einfach. Nehmen Sie etwa die Grünen. Die hatten von Beginn an doch recht breitgefächerte Inhalte: basisdemokratisch, ökologisch, sozial, pazifistisch – diese Prinzipien ließen sich dann durchaus auch auf andere Politikfelder übertragen. Die AfD dagegen lebt von ihrer Anti-Euro-Einstellung. Was aber sagt die Kritik an all den Rettungspaketen und „Schirmen“ über Familienpolitik, Rentenpolitik oder Innere Sicherheit aus?

Schafft die Partei im Herbst den Einzug in den Bundestag?

Müller-Vogg: Da die AfD eine Ein-Themen-Partei ist, hängt ihr Erfolg davon ab, ob ihr Thema dann Konjunktur hat.

Konkret?

Müller-Vogg: Ist die Euro-Krise in den Wochen vor der Bundestagswahl virulent, hat sie eine echte Chance, die Fünfprozenthürde zu überspringen. Wenn nicht, rechne ich mit etwa drei Prozent. Auch das wäre – für eine neue Partei im ersten Anlauf – ein respektables Ergebnis. Zuvor hat die AfD aber noch ein ganz anderes Problem zu lösen: Sie muß 299 Direktkandidaten nominieren. Ob sie sich dabei die üblichen Spinner, Querulanten und Trittbrettfahrer, die sich von jeder neuen Partei geradezu magisch angezogen fühlen, vom Hals halten kann? Da bin ich doch mal sehr gespannt!

 

Dr. Hugo Müller-Vogg, der ehemalige Mitherausgeber der FAZ gilt als einer der renommiertesten konservativen politischen Kommentatoren. Er ist immer wieder zu Gast in Funk und Fernsehen und kommentiert regelmäßig in der Bild-Zeitung, der Superillu und im Nachrichtensender N24, bis 2005 auch in der Welt am Sonntag. Geboren wurde der Volkswirt und Politologe 1947 in Mannheim.

www.hugo-mueller-vogg.de

Foto: Vorstand der „Alternative für Deutschland“ auf dem Gründungsparteitag in Berlin – (von links) Frauke Petry, Konrad Adam, Alexander Gauland, ganz rechts die ehemalige Parteisprecherin Dagmar Metzger. Im Hintergrund auf die Leinwand projiziert, Parteichef Bernd Lucke: „Wenn man von einer Sache überzeugt ist, dann muß man auch handeln.“

 

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