© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Brennende Gefahr
1. Mai: Politik versagt beim Kampf gegen gewaltbereite Linksextremisten
Felix Krautkrämer

Eigentlich verbindet Til Schweiger und Kurt Wansner nichts miteinander. Der eine zählt zu Deutschlands erfolgreichsten Schauspielern, der andere sitzt für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus. Und dennoch haben Schweiger und Wansner etwas gemeinsam: Beide wurden Opfer linksextremer Anschläge.

Schweiger traf es Ende März. Linksextremisten bewarfen sein Haus in Hamburg mit Farbbeuteln und steckten das Auto seiner Freundin in Brand. Als Grund gaben die Täter an, Schweiger habe in seinem Film „Schutzengel“ den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verherrlicht. Bei Wansner schleuderte eine Gruppe mit dem Namen „Autonome Antirassisten Berlin“ vor zwei Wochen mehrere mit Farbe gefüllte Gläser gegen die Fassade seines Wohnhauses im Bezirk Neukölln. Der 65jährige ist Linken schon lange ein Dorn im Auge, weil er vor den Gefahren des Linksextremismus in der Hauptstadt warnt.

Solche Vorfälle sind keine Ausnahme. Jede Woche greifen Linksextremisten in Deutschland unter der Parole „Antifa heißt Angriff“ zur Gewalt, beschmieren Wohnhäuser oder öffentliche Gebäude, zünden Fahrzeuge an, überfallen vermeintliche politische Gegner oder attackieren Vertreter des Staates wie Polizisten und Soldaten.

Erst in der vergangenen Woche bekannten sich „autonome Antirassist_innen“ zu einem Anschlag auf die Kölner Staatsanwaltschaft. Die Täter warfen mehrere Fenster mit Pflastersteinen ein, verschmierten Farbe und verwüsteten ein Büro. Als Motiv gaben die Linksextremisten an, die Behörden hätten bei dem mutmaßlich vom NSU begangenen Bombenattentat in Köln 2004 nicht nur unzureichend ermittelt, sondern statt dessen die Opfer auch noch durch „rassistische“ Methoden jahrelang terrorisiert.

31.800 Linksextremisten zählt der Verfassungsschutz deutschlandweit. 7.100 davon gelten als gewaltbereit. Die Behörde hat in den vergangenen Jahren ein „deutlich gewachsenes Gewaltpotential“ in der linksextremen Szene registriert. Deren Akteure nähmen dabei auch Körperverletzungen „bewußt in Kauf“. Doch obwohl Verfassungsschutzberichte und polizeiliche Kriminalstatistiken eine deutliche Sprache sprechen, wird Linksextremismus von der Öffentlichkeit keineswegs als Alltagsphänomen wahrgenommen. Dazu trägt nicht zuletzt das Verhalten zahlreicher Politiker von Linkspartei, Grünen und SPD bei, die keine Notwendigkeit dafür sehen, sich von gewaltbereiten linksextremistischen Gruppen und Organisationen zu distanzieren.

Im Gegenteil. Politiker wie die Bundesvorsitzende der Grünen Jugend, Sina Doughan, machen keinen Hehl daraus, daß sie eine linksextreme Vereinigung wie die Rote Hilfe mit ihrem Mitgliedsbeitrag unterstützen (JF 17/13). Auch die Medien tun sich häufig schwer, Linksextremisten als solche zu benennen und deren Taten zu verurteilen. Nicht selten blitzt in den Zeilen manches Journalisten klammheimliche Sympathie für die Ziele und Motive der linksextremen Szene auf. Und die weiß sich das zunutze zu machen. Unter dem Deckmantel des „Kampfs gegen Rechts“ suchen linksextreme Gruppen gezielt das Bündnis mit Politikern etablierter Parteien. Ihre radikalen Forderungen erscheinen dadurch gesellschaftsfähiger. Wenn sich Bundestagsvizepräsidenten an Demonstrationen von Linksextremisten beteiligen, entsteht für die Allgemeinheit der Eindruck, das Anliegen des Protests sei gerechtfertigt. Ausschreitungen und verletzte Polizisten gelten dann schnell als bedauerliche aber letztlich in Kauf zu nehmende Kollateralschäden.

Der damalige Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) forderte bereits 2009 eine gesellschaftliche Ächtung linker Gewalttaten. Und die damalige Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, ergänzte, wenn dies ausbleibe, fühlten sich die Täter als „Vollstrecker einer schweigenden Mehrheit“. Beide forderten, die bisherige Bündnispolitik kritisch zu hinterfragen. Vertreter demokratischer Parteien dürften mit gewaltbereiten Linksextremisten keine gemeinsame Sache machen, auch nicht bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.

Doch die Warnung verhallte folgenlos. Ein Beispiel für ein solches Bündnis zeigt sich dieser Tage wieder in Berlin. Dort hat die NPD für den 1. Mai zu einer Demonstration aufgerufen. Das Bündnis „1. Mai – nazifrei“ will das verhindern. Die Liste der Unterstützer ist lang. Angeführt wird sie vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck. Unter den weiteren Unterstützern finden sich neben Jusos, Linkspartei, Grüner Jugend und Gewerkschaftsgruppen auch zahlreiche Antifa-Gruppen wie die Antifaschistische Linke Berlin (ALB).

Über die heißt es beim Berliner Verfassungsschutz, sie fordere die Überwindung des Systems und gehöre zu den „bedeutendsten und einflußreichsten Gruppen“ der autonomen Szene. Und die Behörde wird in ihrem Bericht für das Jahr 2011 noch deutlicher: Gruppierungen wie die ALB nutzten den breiten gesellschaftlichen Konsens bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus, um über Bündnisse mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Parteien und Gewerkschaften Anschluß zu finden. Häufig werde dadurch aber verdeckt, „daß diese Gruppen Faschismus als systemimmanent ansehen und sich ihr ‘antifaschistischer Kampf’ nicht nur gegen Rechtsextremisten, sondern das ‘kapitalistische Herrschaftssystem’ und seine ‘pseudodemokratische Maske’ an sich richtet“. Auch diese Warnung blieb folgenlos.

Foto: Linksextremisten bauen in Hamburg eine Barrikade: Die Kriminalstatistik spricht eine deutliche Sprache

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