© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ein Platz in der Hölle
Thorsten Brückner

Parlamentarismus sieht in Deutschland heute häufig so aus: Die Parteien im Bundestag sind sich in der Sache einig, Unterschiede in Detailfragen werden zu Grundsatzentscheidungen aufgebauscht und mit vehementen, teils ehrverletzenden Angriffen auf Parlamentskollegen inszeniert. So auch bei der Debatte über die Frauenquote für Aufsichtsräte von Dax-Unternehmen vergangene Woche im Bundestag. Zur Abstimmung stand ein Beschluß des Bundesrates, der eine verbindliche Quote von 20 Prozent ab 2018 und 40 Prozent ab 2023 vorsah.

Die Unterschiede zwischen Opposition und Union waren dabei überschaubar. Beide wollen deutlich mehr Frauen in Führungspositionen hieven, beide scheuen nicht davor zurück, Unternehmen unter Druck zu setzen, beide wollen eine verpflichtende Frauenquote – die einen sofort, die andern ab 2020. Bleibt wohl nur die FDP als Wahrerin marktwirtschaftlicher und freiheitlicher Prinzipien? Weit gefehlt! Den Druck, den die Quotendebatte schon jetzt auf Unternehmen ausübe, mehr Frauen einzustellen, begrüße man ausdrücklich, solidarisierte sich die FDP-Abgeordnete Nicole Bracht-Bendt mit der rot-rot-grünen Agendasetzung: „Noch nie haben Unternehmen so gezielt nach Frauen gesucht.“

Deutlich in der Defensive präsentierte sich die Union. Nachdem man zahlreiche Frauen in den eigenen Reihen, die angekündigt hatten mit der Opposition zu stimmen, durch einen Kompromiß besänftigen konnte, verkündete Fraktionschef Volker Kauder mit erhobenem Zeigefinger: „ Wir lassen der Wirtschaft bis 2020 Zeit, danach wird’s ernst.“ Von einer geheimen Absprache von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit den Grünen, die laut Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung kurz vor der Abstimmung aufflog, wußte der Beobachter da noch nichts.

Vor allem die CDU-Frauen wie Elisabeth Winkelmeyer-Becker, die sich in letzter Minute entschlossen, als „verantwortungsvolle Politiker“, wenn es „um die Machtfrage geht“, dagegen zu stimmen, waren neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Familienministerin Kristina Schröder Hauptangriffsziel der „Quote jetzt“-Befürworter. Es gebe einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen, zitierte Caren Marks, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, die frühere amerikanische Außenministerin Madeleine Albright. „Keine schönen Aussichten für Frau Merkel und Frau Schröder“, ergänzte sie.

Der Abgeordnete Jan-Marco Luczak (CDU) setzte dem seine eigene Sicht der Dinge entgegen. „Was Angela Merkel für unser Land und für die Frauen in unserem Land getan hat, reicht für einen Platz im Himmel.“ Erfrischend offen war die Rede von Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi. Die Quote bezeichnete er als „Fuß in der Tür“. Letzlich gehe es dabei auch vor allem „um das Aufbrechen von Geschlechtsstereotypen“. Als Reaktion auf Volker Kauder, der betont hatte, der Staat dürfe keine erwachsenen Menschen erziehen, meinte Gysi trocken: „Es geht nicht ohne.“

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