© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Goldener Währungsanker
Edelmetallmarkt: Preissturz auf dem Papiermarkt / Physische Goldnachfrage stabil / Ende der Goldpreishausse?
Thorsten Polleit

Der Anstieg des Goldpreises seit Anfang dieses Jahrhunderts war bemerkenswert. Am 2. April 2001 betrug er 255,55 Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm). Am 5. September 2011 waren es in der Spitze 1.900,23 Dollar. Von da an ging es abwärts mit dem Preis des gelben Metalls. Am 15. April dieses Jahres ging es dann dramatisch abwärts: Der Goldpreis fiel um acht Prozent auf 1.347,95 Dollar pro Feinunze – es war der größte Tagesverlust seit über 33 Jahren.

Zu Wochenbeginn handelt Gold wieder oberhalb der 1.400er-Marke. Ist das Ende der Goldpreis-Rallye dennoch eingeleitet, wie zahlreiche Experten verkünden? Diese Frage läßt sich nur beantworten, wenn man sich Klarheit über die Natur der aktuellen Krise verschafft, die die Weltwirtschaft und das Weltfinanzsystem seit Mitte 2007 in Atem hält. Die Antwort lautet: Diese Krise ist eine Krise des Papiergeldsystems.

Ob Dollar, Euro, Pfund, Yen, chinesischer Renminbi oder selbst Schweizer Franken – sie alle sind nicht einlösbares, beliebig vermehrbares Papiergeld. Ein solches Regime ist in der Währungsgeschichte einmalig. Über Jahrhunderte und Kulturen hinweg war Gold, zuweilen auch Silber und Kupfer, das frei gewählte Geld, das sich im Marktprozeß, ohne staatliches Zutun, herausgebildet hat. Das Gold stieg im 19. Jahrhundert zum „Weltgeld“ auf. Erst mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs gingen die Staaten vom Gold ab, und dies nicht etwa weil das Gold schlecht funktioniert hätte, sondern weil es als wertbeständiges Geld der Kriegsfinanzierung durch Inflation im Wege stand.

Mit der Ausbreitung diverser sozialistischer Ideologien und Konzepte wurde die Rückkehr zu einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Geld auch in Friedenszeiten politisch unerwünscht. Folglich mußten auch alle Versuche scheitern, das Goldgeld wiederzubeleben. Der „Gold-Devisen-Standard“ in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts und auch das Bretton-Woods-System, das das internationale Währungssystem nach Ende des Zweiten Weltkriegs wiederherstellen sollte, waren daher auch nur halbherzige Versuche, das Geld wieder im Gold zu verankern. Mit dem endgültigen Ende der Eintauschpflicht des US-Dollar in Gold am 15. August 1971 wurden die letzten Überbleibsel des Goldgeldregimes beseitigt, und die Epoche des nicht mehr einlösbaren staatlichen Geldes brach an.

Seit dieser Zeit sind alle wichtigen Währungen der Welt nicht einlösbares, beliebig vermehrbares Papiergeld, für das die Staaten das Produktionsmonopol innehaben. Es wird durch Bankkreditvergabe sprichwörtlich „aus dem Nichts“ geschaffen. Solch ein Papiergeldsystem erweist sich als Fluch, wie es der US-Ökonom Irving Fisher (1867–1947) formulierte. Denn Papiergeld ist nicht nur chronisch inflationär, sorgt nicht nur für „Boom and Bust“-Zyklen und ein Auswuchern des Umverteilungsstaates, sondern es muß letztlich in einer schweren Rezession-Depression enden. Das hatte der Ökonom Ludwig von Mises (1881–1973) bereits 1912 erkannt.

Das Verwenden von Papiergeld manövriert die Volkswirtschaft in eine Überverschuldungssituation, die sich aktuell vor allem bei Staaten und Banken zeigt, und aus der dann nur zwei Wege hinausführen: das Löschen der Schulden oder das Ausweiten der Geldmenge (Inflationspolitik) oder eine Kombination aus beidem. Sparer, die ihre Altersvorsorge in Papiergeld denominierten Zahlungsversprechen investiert haben, werden in jedem Falle verlieren.

Entweder erleiden sie Zahlungsausfälle, weil Bankeinlagen sowie Staats-, Bank- und Unternehmensverbindlichkeiten, die im Zuge des Papiergeldsystems aufgehäuft wurden, nicht mehr (vollständig) zurückgezahlt werden. Oder aber die Verbindlichkeiten werden beglichen, weil die elektronische Notenpresse angeworfen wird und die offenen Rechnungen mit entwertetem Geld bezahlt werden. Das ist das häßliche Ergebnis des Papiergeldsystems.

Im Zuge der Krisenlösungsbemühungen scheint nun jedoch eine Debatte über eine Reform der internationalen Währungsordnung in Gang gekommen zu sein. So forderte der Internationale Währungsfonds (IWF) im Februar 2011 weitreichende Reformen des internationalen Währungssystems. Der chinesische Notenbankpräsident forderte bereits im März 2009 die Abkehr vom „Kreditgeld“ und das Schaffen einer „soliden“ internationalen Reservewährung. Der einflußreiche US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Robert A. Mundell machte im selben Jahr Vorschläge, die in letzter Konsequenz auf das Schaffen einer Weltwährung mit dem Namen „INTOR“ abzielen (INT steht für international und OR für die französische Bezeichnung für Gold).

Wie die künftige internationale Finanzarchitektur aussehen wird, ist ungewiß. Aber es liegt nahe, daß auf dem Weg dahin das Papiergeld beziehungsweise die in Papiergeld ausgestellten Zahlungsversprechungen mitunter drastisch an Wert verlieren werden, einige von ihnen vielleicht sogar ganz wertlos werden. Währungsgeschichtlich wäre das kein „Sonderweg“, und es wäre auch nicht außergewöhnlich, wenn die Rolle des Goldes als ultimatives Zahlungsmittel künftig wieder ganz offen zutage tritt. Gold war und ist der Währungsanker. Mises schrieb 1940: „Man hat an der Goldwährung manches auszusetzen gewußt; man hat ihr den Vorwurf gemacht, daß sie nicht vollkommen sei. Doch niemand weiß anzugeben, wie man an Stelle der Goldwährung Vollkommeneres und Besseres setzen könnte.“

Mit Blick auf die riesigen Papiergeld-(Schein)vermögen erscheint der aktuelle Goldpreis immer noch sehr niedrig zu sein – und das wiederum legt den Schluß nahe, daß der Aufwärtstrend des Goldpreises, der Anfang 2001 eingesetzt hat, noch nicht seinen Abschluß gefunden hat.

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