© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Den Illegalen Legalität verschaffen
Caritas Deutschland: Der Wohlfahrtsverband konterkariert mit staatlichen Geldern den Kampf gegen illegale Einwanderung und Schleuserunwesen
Lion Edler

Die Zahlen schwanken erheblich. Die Dunkelziffer ist groß. Bis zu 500.000 Menschen leben illegal in Deutschland. Tendenz steigend. Ohne Aufenthaltserlaubnis, ohne Duldung machen sie sich strafbar, folgerichtig droht ihnen bei Entdeckung die Festnahme und anschließende Ausweisung.

Vermeintlich rechtlos führen sie ein „Leben in der Schattenwelt“, fern davon, ihre „Rechte auf Wohnen, Bildung, Sozialleistungen oder Gesundheitsversorgung wahrzunehmen“, schreibt der katholische Wohlfahrtsverband Caritas auf seiner Netzseite und bietet seine Unterstützung an: „Die Mitarbeiter der Caritas helfen ihnen, dennoch ihre Rechte wahrzunehmen.“

Doch schon bei den Begrifflichkeiten offenbaren sich die Diskrepanzen. Anstatt schlicht und einfach über „illegale Einwanderer“ zu schreiben, findet der Verband eine ganze Palette von komplizierteren, dafür aber auch blumiger klingenden Umschreibungen: „Beratung für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus“, heißt es in der Überschrift eines Eigen-Interviews mit dem Caritas-Mitarbeiter Roberto Alborino vom Referat Migration und Integration. Zudem ist die Rede von „Menschen, die nach Auffassung des Staates hier gar nicht leben dürfen“, von „Betroffenen“ und davon, daß man „die Situation von Menschen zu verbessern“ versuche, „die hier in der sogenannten aufenthaltsrechtlichen Illegalität leben“.

Die sprachlichen Windungen haben ihren nachvollziehbaren politischen Grund. Denn während Polizei und Justiz zur Bekämpfung von illegaler Einwanderung, Menschenhandel und der damit verbundenen Schleuserkriminalität verpflichtet sind, subventioniert die Politik mit der Caritas einen Verband, der diese Bemühungen ganz offen unterläuft und sich als Interessenvertreter der „sogenannten“ Illegalen profiliert.

So klagt etwa der Caritas-Mann Alborino, der SPD-Stadtrat in Freiburg war, über illegale Einwanderer in einem moralisierenden Tonfall: „Ihre Würde wird ständig verletzt, weil sie zum Beispiel ihre Grundrechte auf gesundheitliche Versorgung und Bildung nicht in Anspruch nehmen können.“ Dies will der selbst aus Italien eingewanderte Sozialpädagoge Alborino unmißverständlich ändern.

Für das laufende Jahr stellte die Caritas gar ein „Beratungshandbuch“ über „Aufenthaltsrechtliche Illegalität“ zusammen. Folgt man der Argumentation des Jahrbuchs, dann scheint die Verweigerung von Hilfsleistungen für Illegale aus Sicht der Caritas gleichbedeutend zu sein mit der Diskriminierung von Ausländern oder Frauen: Denn die Caritas betont, daß man bei wohltätigen Hilfeleistungen nicht unterscheide „nach Geschlecht, Abstammung, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiösen und politischen Anschauungen, noch nach dem Aufenthaltsstatus von Menschen“. Die Hilfeleistung werde dabei auch „nicht von dem Grund abhängig gemacht, warum diese Person in eine Notlage geraten ist“.

Im Klartext heißt das dann wohl: ob Wirtschaftsflüchtling oder politisch verfolgter Asylsuchender, ist für die Caritas sekundär. Schließlich bestehe laut Leitbild des Verbands das „vornehmste und ureigenste Ziel aller Caritas-Arbeit“ darin, „Menschen, insbesondere benachteiligte und schwache, vor Ausnutzung, vor Ausgrenzung und zugleich vor Vereinnahmung zu schützen und ihre Selbsthilfekräfte zu stärken“. Und illegale Einwanderer gehörten eben „zu den Verletzlichsten und brauchen die Solidarität unserer Gesellschaft“.

Entsprechend breit gefächert ist die Arbeit des traditionsreichen Verbandes, der mit über 500.000 Mitarbeitern einer der größten privaten Arbeitgeber in Deutschland ist. Neben der Herausgabe des „Beraterhandbuches Aufenthaltsrechtliche Illegalität 2013“ betreibt er mit dem „Fachdienst für Integration und Migration“ eine „anerkannte Integrationsagentur“, die sich nicht nur um die Belange von Asylbewerbern, Asylberechtigten und Kontingentflüchtlingen kümmert, sondern ebenso um „Flüchtlinge ohne rechtliche Aufenthaltsgenehmigung“. In Berlin versorgen die Straßenambulanzen der Caritas („Malteser Migranten Medizin“) die Illegalen auf medizinischem Gebiet.

Nach Angaben der Caritas wagen beispielsweise häufig schwangere Frauen und Kranke nicht, den Arzt zu besuchen. Denn dies setzt meist einen Behördenkontakt voraus, der dann zur Meldung an die Ausländerbehörde und somit zur Abschiebung führen kann. Also werden Krankheiten aus Furcht vor Abschiebung nach Caritas-Angaben häufig „so lange verschleppt oder selbst behandelt, bis sie sich chronifizieren“.

Dagegen will die Caritas mit Beratung und Aufklärung vorgehen, denn die Betroffenen würden oftmals „ihre Rechte und Möglichkeiten“ nicht kennen. Außerdem tritt der Deutsche Caritasverband dafür ein, „die Möglichkeiten für legale Arbeitskräftezuwanderung zu erweitern“. Daß die Politik die Voraussetzung für die Einwanderung von Hochqualifizierten geschaffen habe, sei „noch nicht ausreichend“. Zwar stoße die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland wegen der einheimischen Arbeitslosigkeit häufig auf Unverständnis, doch habe „gezielte Zuwanderung empirisch keine negativen, sondern eher positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt“. Insofern stünden „die Förderung des einheimischen Arbeitskräftepotentials und vermehrte Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland nicht alternativ, sondern kumulativ zueinander“.

Für die bereits eingewanderten Illegalen will die Caritas erreichen, „daß der Schulbesuch nicht daran scheitern darf, daß Kinder eine Meldebescheinigung vorlegen müssen, über die sie nicht verfügen“. Bestehende Übermittlungspflichten an die Ausländerbehörden müßten eingeschränkt werden, was ein erster Schritt dafür sei, „daß Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität tatsächlichen Zugang zu den zentralen Lebens- und Versorgungsbereichen erhalten“.

Angesichts solcher Positionen erscheint es überraschend, daß die Caritas ihre Finanzierung zu erheblichen Teilen der Politik verdankt, die einen juristisch und politisch völlig konträren Umgang mit dem Thema vorgibt. Im Jahr 2011 konnte der Verband finanzielle Erträge von 140,2 Millionen Euro verbuchen, wovon 39,5 Millionen Euro auf Spenden, Erbschaften und sonstige Zuwendungen entfielen, aber 68,6 Millionen Euro auf Zuschüsse. Von diesen Zuschüssen wiederum kamen stolze 47,8 Millionen Euro vom Bund (Vorjahr: 46,7 Millionen Euro).

Außerdem überwies der kirchliche Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) 9,4 Millionen Euro (Vorjahr: 9,5 Millionen Euro), von der Europäischen Union kamen 2,2 Millionen Euro (Vorjahr: 5,2 Millionen Euro) und weitere 9,3 Millionen Euro aus Stiftungen sowie vom Zuschlagserlös von Wohlfahrtsmarken und von den Lotterien „Glücksspirale“ und „Aktion Mensch“.

Außerdem bemerkenswert: Der weitaus größte Teil der Zuschüsse ist an konkrete Aufgaben und Projekte gekoppelt und fließt direkt in die entsprechenden Bereiche. So sollen für das Jahr 2011 aus den Bundesmitteln 43,6 Millionen Euro für „Aufgaben der Inlandsarbeit“ (wie „regionale Beratungsdienste für Migranten, Jugend- und Behindertenhilfe“ zur Verfügung gestanden haben. Bei der ebenfalls bedeutenden Einnahmequelle der Spenden ist die Höhe der Einnahmen stark vom Auftreten von Großkatastrophen abhängig.

Doch beim Thema illegale Einwanderung scheint man sich erst gar nicht um Spenden zu bemühen, sondern sich lieber auf die jährlichen Zuschüsse aus Politik und Kirche zu verlassen: Unter der Überschrift „Ihre Spende hilft Menschen“ listet der Verband auf seiner Netzseite eine Reihe von Projekten auf, die die jährlich rund 100.000 Spender unterstützen können. Da geht es um Hilfe für Kinderheime in Tadschikistan, Frauenberatung für „mittellose Schwangere“ oder um Essensausgabe für „Menschen mit Alkohol- oder Drogenproblemen“. Nur die „Menschen, die in Deutschland offiziell gar nicht leben dürfen“ – die sucht man hier vergebens.

Foto: Asylsuchende in Eisenhüttenstadt (Brandenburg): Bei der Betreuung von „Flüchtlingen“ mit und „ohne rechtlichen Aufenthalt“ macht die Caritas keinen Unterschied

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