© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Windrad contra Hummerkorb
Nordsee: Helgoländer Meeresbiologen wollen den schmackhaften Krustentieren eine sichere Heimat bieten
Richard Stoltz

Jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Eine Gruppe von Helgoländer Meeresbiologen ist von ihm beauftragt worden, eine Population von Hummern zu züchten, die sich endlich mit den vielen neuen Windrädern anfreundet, die im Zuge der Energiewende überall in der Nordsee installiert werden. Bisher galt ja nach Auskunft bekannter Ökologen, daß die Windräder nicht unwesentlich zum vielbeklagten Seltenwerden der leckeren Meeresbewohner beitragen.

Schon Anfang nächsten Jahres sollen 3.000 resistent gemachte Speisehummer im Windpark Riffgat vor Borkum ausgewildert werden. Man hofft, daß sich die neue Population am Fuße der Windräder pudel-, Pardon: hummerwohl fühlen und üppig und kontinuierlich für Nachwuchs sorgen wird. Die raffiniert angelegten Steinberge, welche die Windräder vor Unterspülung ihrer Fundamente schützen, seien doch ein ideales Kindbett für Hummerbabies.

Der weder technisch noch ökologisch sonderlich beschlagene Laie wundert sich trotzdem. Das Seltenwerden des europäischen Speisehummers vor Deutschlands Hochseeküsten, so vermutet er spontan, ist weniger eine Folge von Kindbettmangel als von vorzeitigem Erwachsenensterben, von „Überfischung“, könnte man auch sagen, wenn es sich bei den Hummern nicht um „Krebsartige“ (Nephropidae) handelte, die als „Krustentiere“ zum Lieblingsobjekt sämtlicher Gourmets und Spitzenköche gehören.

An die 7.000 Tonnen Nephropiden wurden 2012 vor Helgoland und Borkum in den „Hummerkörben“ gefangen und umgehend zu Speisekartenknüllern verarbeitet. Gegen solche Zahlen helfen die besten Windradfundamente nichts. Es gibt nur einen Ausweg: Die Helgoländer züchten einen Hummer, der im erwachsenen Zustand einen Hummerkorb von einem Windradfundament unterscheiden kann.

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