© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Frisch gepresst

Kierkegaard I. Wenn Johannes Brahms einmal fröhlich sein wollte, so eine Anekdote über den norddeutschen Melancholiker, dann sang er „Das Grab ist meine Freude.“ Ist für Meister Brahms vielleicht nur gut erfunden, aber dem dänischen Theologen und Religionsphilosophen Sören Kierkegaard (1813–1855) scheint diese zart hämische Charakterisierung wahrhaftig auf den Leib geschnitten zu sein. So ist dann auch nicht verwunderlich, daß die schwindsüchtige Spaßbremse Franz Kafka einen Denker intensiv rezipierte, unter dessen Werken sich so erbaulich klingende Titel wie „Der Begriff der Angst“, „Furcht und Zittern“ oder „Die Krankheit zum Tode“ finden. Auf Kafka und die Aneignung Kierkegaards in der deutschsprachigen Literatur um die vorletzte Jahrhundertwende konzentriert sich daher die Bielefelder Dissertation von Christian Wiebe. Angesichts der besser bekannten Auseinandersetzung deutscher Philosophen und Theologen schließt Wiebe damit eine Forschungslücke. Allein auf die Belletristik beschränkt er sich allerdings nicht, da er gleich eingangs die kulturkritische Verarbeitung des Dänen im Brenner-Kreis sezessionistisch-katholischer Intellektueller (Theodor Haecker, Ferdinand Ebner, Carl Dallago) betont. (wm)

Christian Wiebe: Der witzige, tiefe, leidenschaftliche Kierkegaard. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2012, gebunden, 438 Seiten, 52 Euro

 

Kierkegaard II. Die „Grundzüge“ von Kierkegaards Denken verspricht Otto A. Böhmer im Beitrag zum 200. Geburtstag des dänischen Denkers darzulegen. Registriert man zuerst die Literatur, die er dafür zu Rate gezogen hat, will man seinem Unternehmen keine günstige Prognose stellen. Denn es fehlt die heute noch aktuelle Monographie des Kopenhagener Philosophen Harald Höffding von 1913 genauso wie der bahnbrechende Wälzer von dessen jüngerem Kollegen Eduard Geismar (1929). Und von der deutschen „existentialistischen“ Rezeption der 1920er und 1930er Jahre, von Karl Jaspers zumal, und vom damals unbestritten besten Kenner, dem Göttinger Theologen Emanuel Hirsch, ging kaum etwas in Böhmers Essay ein. So ist das Büchlein für fortgeschrittene Kierkegaard-Leser nutzlos, für Debütanten, die sich in die mitunter abstoßend krause Gedankenwelt dieses nordischen Bußpredigers einfädeln möchten, aber vielleicht ein Faden im Labyrinth. (wm)

Otto A. Böhmer: Reif für die Ewigkeit. Sören Kierkegaard und die Kunst der Selbstfindung. Diederichs Verlag, München 2013, gebunden, 173 Seiten, 17,99 Euro

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