© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Borkenkäfer in abgesperrten Wäldern
Der geplante Nationalpark im Nordschwarzwald erhitzt die Gemüter / Naturschutz oder Tourismus?
Taras Maygutiak

Die Emotionen im Nordschwarzwald kochen derzeit mächtig hoch. Grund sind drei große Waldgebiete – zusammen etwa 10.000 Hektar Fläche – die, geht es nach der grün-roten Landesregierung, als Nationalpark ausgewiesen werden sollen. Das heißt: der Wald wird sich weitgehend selbst überlassen, der berüchtigte Borkenkäfer, der die Rinde von Bäumen angreift und diese absterben läßt, soll ebenfalls nicht bekämpft werden. Zudem dürften die Waldbauern in 75 Prozent der ausgewiesenen Gebiete keine Holzwirtschaft mehr betreiben.

Die Areale liegen geographisch östlich von Baden-Baden in Richtung Bad Wildbad, im Süden grenzen sie an die Gemarkung der Gemeinde Oppenau und Freudenstadt. Am 8. April präsentierte die Landesregierung in Stuttgart ein Gutachten der Büros Pricewaterhouse Coopers AG, Ökonzept sowie Kohl & Partner. Das Fazit des Begutachtung: alles in Butter, am Nationalpark ist nichts auszusetzen. Das sehen viele Schwarzwälder, darunter zahlreiche Waldbauern allerdings gründlich anders. Der Verein „Freundeskreis Nationalpark Schwarzwald“ führt zwar durchaus gute Gründe auf, weshalb der Nationalpark kommen soll: Mehr Natur und Artenvielfalt, Erhaltung der Schöpfung, Steigerung der Marke „Schwarzwald“, eine größere Kaufkraft in der Region, Tourismus als „Jobmotor“ sowie Ruhe und Entspannung sind einige der „zehn guten Gründe“, die der Verein in einer Broschüre aufzählt.

„Ruhe und Entspannung“ dürften sich jedoch Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Minister für ländlichen Raum Alexander Bonde (beide Grüne) nach den Infoveranstaltungen der vergangenen Tage gewünscht haben. Seit das Gutachten veröffentlicht ist, tingelt Bonde als federführender Minister – in Ottenhöfen und Baiersbronn ist Kretschmann dabei – durch die betroffenen Schwarzwaldgemeinden, um mit Infoveranstaltungen für den Nationalpark zu werben. An seiner Seite Vertreter der drei Gutachterbüros. Und in den stets gut gefüllten Hallen sind längst nicht nur die gut organisierten Nationalpark-Befürworter des Freundeskreises, vom Naturschutzbund, Greenpeace oder den Grünen.

Bei der ersten Veranstaltung in Bad Wildbad ist die alte Trinkhalle, in der für 800 Teilnehmer Stühle aufgestellt wurden, mit rund tausend Besuchern rappelvoll. Die Lebkuchenherzen mit der Aufschrift „Nationalpark Schwarzwald“, die die Befürworter überall verteilen sowie der Beifall für Bonde können den Widerstand allerdings nicht relativieren. Der Beifall wird von Buhrufen und einem Pfeifkonzert übertönt. Der Empfang ist alles andere als freundlich. Wutentbrannte Sägewerkbesitzer und Waldbauern machen ihrem Unmut lautstark Luft. Mit Protestplakaten und einem verdörrten Baum drängen sie in der Halle in Richtung Minister.

Bürgerbeteiligung nur bei „grünen“ Mehrheiten?

Das Anti-Konflikt-Team der Polizei wirkt angespannt. Schon Stunden vor der Veranstaltung hatte die Polizei auf den Straßen nach Bad Wildbad Langholzlaster aus dem Verkehr gezogen, die zur Blockade hätten dienen können. Zwei Hundertschaften hat die Polizei vorsorglich in die Kurstadt verlegt, um bei einer eventuellen Eskalation gewappnet zu sein. Auf die Hundertschaften wird bei den nächsten Veranstaltungen in Ottenhöfen und Baiersbronn, zu denen ähnlich viele Leute kommen, zwar verzichtet, der Widerstand ist jedoch nicht zu überhören. Auch dort geht Beifall der Nationalpark-Unterstützer in Buhrufen und im Trillerpfeifkonzert unter. Die Argumente der jeweils anderen Seite will man gar nicht hören.

Die Waldbauern und Sägewerkbesitzer lassen sich nicht beruhigen. Da hilft es auch nicht, daß Bonde ihnen Ausgleich für die Holzernte aus Staatswäldern zusagt. Die Gegner des Nationalparks bemängeln auch die mangelnde Mitbestimmung und -gestaltung bei der Diskussion um den Nationalpark. In den betroffenen Gemeinden sind die Aufkleber und Transparente gegen den Nationalpark nicht zu übersehen. Am 12. Mai soll es zwar eine Bürgerbefragung geben, aber Kretschmann hat schon mal klargemacht, daß die Landespolitik dennoch das letzte Wort hat. Bei grün-roten Prestigeprojekten hört der Spaß eben auf – Bürgerbeteiligung paßt offenbar nur dann ins Konzept, wenn „grüne“ Mehrheiten sicher sind.

Genauso wie der Nationalpark vorangetrieben wird, forciert Grün-Rot auf den Schwarzwaldbergen übrigens auch den Ausbau zahlreicher Windräder, die die Größe der bisherigen um einiges überragen werden. Damit es dort schneller vorangeht, hat man eigens das Landesplanungsgesetz zum Januar dieses Jahres geändert. Dennoch zeichnen sich bei der Windkraft schon jetzt innergrüne Bruchlinien zwischen „modernen“ Klimaschützern und „konservativen“ Natur- und Landschaftsschützern ab. Die vorherige schwarz-gelbe Landesregierung ist der Windrad-„Verspargelung“ unter Verweis auf das Landesplanungsgesetz clever aus dem Weg gegangen.

 

Pro und Kontra zum Nationalpark

Nein zur Vernichtung von Volksvermögen und Nein zur Errichtung zusätzlicher Bürokratie – das führen die Gegner des Nationalparks genauso auf, wie die Gefahr der zügellosen Ausbreitung des Borkenkäfers, Wegeverbote und Verbote beim Beeren- und Pilzesammeln. Die Gegner rechnen vor, daß alleine der aktuelle Holzvorrat auf der 7.500 Hektar großen Kernzone des Nationalparks einen Marktwert von 200 Millionen Euro hat. Zusätzlich koste der Nutzungsverzicht den Steuerzahler jährlich mindestens vier Millionen Euro. Weitere Millionenbeträge, die zu Lasten des Steuerzahlers gingen, befürchten sie bei der Schaffung zusätzlicher Bürokratie durch eine Nationalparkverwaltung. Daß durch einen Nationalpark sogar mehr Touristen in die Region kämen, wollen die Gegner nicht glauben. Daß ein Nationalpark dem Artensterben besser entgegenwirke, sehen sie ebenfalls nicht als erwiesen an.

Befürworter des Nationalparks: www.pro-nationalpark-schwarzwald.de

Gegner des Nationalparks: www.unser-schwarzwald.de

Gutachten, Karten und offizielle Dokumente zum Nationalpark Schwarzwald: www.schwarzwald-nationalpark.de

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