© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Unterstützer müssen draußen bleiben
Terrorismus: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Antiterrordatei stößt auf ein geteiltes Echo
Lion Edler

Wenn das Bundesverfassungsgericht zu einem kontrovers diskutierten Gesetz eine Entscheidung fällt, dann liegt es in der Natur der Sache, daß die unterschiedlichen Interessenvertreter das Urteil für ihre Zwecke verschieden interpretieren und instrumentalisieren. Wohl auch deshalb hat das höchste deutsche Gericht seine Entscheidung über die Antiterrordatei unter eine ausgewogene Überschrift gestellt: „Antiterrordatei ist in ihren Grundstrukturen mit dem Grundgesetz vereinbar, nicht jedoch in ihrer Ausgestaltung im einzelnen“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

Das Gesetz zur 2007 eingerichteten sogenannten „Antiterrordatei“, die die Namen, Adressen und weitere Daten von 17.000 bis 18.000 überwiegend im Ausland lebenden Personen speichert, sei „wegen seines wichtigen Ziels der Terrorbekämpfung und des begrenzten Informationsgehalts der Verbunddatei“ grundsätzlich verfassungsgemäß, erklärte der Vorsitzende Richter des Senats, Ferdinand Kirchhof, am Mittwoch vergangener Woche bei der Verkündung des Urteils in Karlsruhe. Bis zum 31. Dezember 2014 muß die Politik jedoch ein korrigiertes Gesetz beschließen, das der Detailkritik des Gerichts Rechnung trägt.

Denn die Verfassungshüter merken an, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne nur gewahrt werde, wenn die Antiterrordatei „hinsichtlich der zu erfassenden Daten sowie deren Nutzungsmöglichkeiten normenklar und in der Sache hinreichend begrenzt ausgestaltet ist“. Konkret monieren die Richter, daß die Datei auch Personen erfaßt, die „eine unterstützende Gruppierung lediglich unterstützen“. Da somit auch Personen erfaßt werden könnten, die ohne Wissen von einem Terrorismusbezug eine in ihren Augen unverdächtige Vereinigung unterstützen, seien der Grundsatz der Normenklarheit und das Übermaßverbot verletzt. Zudem reiche „das bloße ‘Befürworten von Gewalt’ im Sinne dieser Vorschrift“ nach einhelliger Auffassung des Senats nicht für eine Erfassung von Personen in der Datei aus.

Beanstandet wurde auch die sogenannte Inverssuche, bei der Behörden nach Personen mit bestimmten Merkmalen wie etwa Religionszugehörigkeit oder Ausbildung suchen und somit die Adressen, Namen und weitere Informationen der Personen erhalten. Diese Inverssuche sei mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar; anders verhalte es sich jedoch in einem „Eilfall“, dessen Voraussetzungen auch „hinreichend eng gefaßt“ seien. Zugriffe und Änderungen müßten allerdings „vollständig protokolliert und den Datenschutzbeauftragten in praktikabel auswertbarer Weise zur Verfügung gestellt werden“; zudem seien Kontrollen „in angemessenen Abständen“ vorzunehmen (Aktenzeichen 1 BvR 1215/07).

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zeigte sich nach dem Urteil froh darüber, „daß die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bestätigt worden ist“. Die von Karlsruhe geforderten Nachbesserungen werde man vornehmen und auch entsprechend auf die nach gleichem Muster funktionierende Rechtsextremismusdatei übertragen. Dagegen schien die FDP-Bundestagsfraktion ein anderes Urteil gelesen zu haben. „CDU/CSU und SPD müssen nun auch erkennen, daß sie mit der Antiterrordatei zu weit gegangen sind“, sagte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Gisela Piltz. Das Verfassungsgericht habe „deutlich festgestellt, daß die Streubreite der Speicherung im Grunde jeden Bürger in die Gefahr bringt, dort ohne sein Wissen gespeichert zu werden.“ Dem müsse künftig „ein Riegel vorgeschoben werden“.

Kritik am Gericht kam indessen vom Vorsitzenden des Verbands BKA im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Andy Neumann. Die Sicherheitsbehörden würden, so Neumann, „immer massiv kritisiert, weil sie Informationen nicht vollständig ausgetauscht haben“. Wenn sie aber Instrumente schufen, um genau dies zu tun, „ist es auch nicht recht“. Dabei seien es gerade im Fall des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) Kontaktpersonen, die für Skandale sorgten. „Es ist das alte Spiel“, klagte Neumann, „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß.“

Foto: Terror-Verdächtige im Visier der Behörden: „Befürworten von Gewalt“ reicht nicht

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen