© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Das Crash-Debakel des Mercedes Citan zeigt die Konzern-Misere
Balkan-Esel mit Stern
Markus Brandstetter

Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes-Benz? / My friends all drive Porsches, I must make amends“, sang die Rock-Ikone und Porsche-Fahrerin Janis Joplin in den Sunset Studios von Los Angeles in einer Parodie auf einen Gospelsong. Zum Fahrzeugwechsel ist es nicht mehr gekommen, denn drei Tage nach der Aufnahme, am 4. Oktober 1970, war die weibliche Symbolfigur der Hippiezeit tot. Doch für Mercedes war die Welt damals noch in Ordnung. Seitdem hat sich einiges geändert. Die Joplin ist in das Rock-Pantheon aufgestiegen, ihre Lieder haben den Sprung ins MP3-Zeitalter geschafft. Die einstige Premium-Marke Mercedes aber schwächelt. Heute würde Janis Joplin wohl um einen Audi oder einen BMW bitten, aber nicht mehr um einen Mercedes.

Ein weiteres Beispiel für diese Entwicklung ist der Mercedes Citan, den es als Kastenwagen und Hochdachkombi gibt. Handwerker, Bauern und Großfamilien fahren gerne mit solchen Autos rum, weil viel reinpaßt. Um so schlimmer, daß dieses Modell, in dem oft Kinder mitfahren, beim ADAC-Crash-Test nur drei von fünf Sternen bekommen hat. Das ist einer der miesesten Werte aller vom ADAC getesteten Fahrzeuge. Drei Sterne im Crash-Test hatten Billigkisten von Chrysler, Dacia, Fiat & Co. – nicht die Gesellschaft, in der man Mercedes bislang normalerweise ansiedelt. Die Tester kreiden dem Citan Schwächen beim Frontcrash und Pfahlaufprall sowie beim Fußgängerschutz an. Für ein „Premium“-Familienfahrzeug hätte insbesondere die Kindersicherheit besser ausfallen müssen. Der weniger prestigeträchtige, aber in Köln entwickelte neue Ford Transit Custom bekam dagegen auf Anhieb fünf Sterne.

Dies überrascht, denn der Citan ist mit dem Renault Kangoo weitgehend baugleich – und die gleiche Plattform findet auch für den neuen Dacia Dokker aus dem Balkanland Rumänien Verwendung. Kein Wunder, daß sich die drei Autos auch optisch ähneln. Die Masse der modernen Autos erreicht heute beim Crash-Test fünf Sterne, vier ist bereits klar unter Durchschnitt, und drei bei einer Familienkutsche vollkommen inakzeptabel. Daimler wird nun beim als „Helden der Stadt“ angepriesenen Citan nachbessern müssen – oder das Projekt am besten ganz beerdigen. Das kostet so oder so Geld, frißt Rendite und drückt die Absatzzahlen nach unten, vom Image-GAU gar nicht zu reden.

Da paßt es nur ins Bild, daß Daimler vorige Woche eine Gewinnwarnung für 2012 ausgesprochen und die Prognose für 2013 gesenkt hat. Im ersten Quartal 2013 schrumpfte das Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr um über die Hälfte auf 917 Millionen Euro. Der Umsatz ging um drei Prozent auf 26,1 Milliarden Euro zurück. Unter dem Strich standen nur noch 564 Millionen Euro Gewinn – nach 1,4 Milliarden Euro im Vorjahr. Wie lange ist Vorstandschef Dieter Zetsche angesichts dessen noch zu halten?

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen