© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

„S’Leb’n is wia a Traum“
Mit Flashmob-Guerillataktik und viel Heimatgefühl reiten die krachledernen „Volx-Popper“ von voXXclub auf der Erfolgswelle
Bente Holling

Deutschland hat ein neues Pop-Phänomen. Nach dem Überraschungscoup von Heino, den eine ungeahnte Sympathiewoge an die Spitze der Charts spülte, surfen nun bayrische Nachwuchs-Volksmusikanten auf dieser Welle zum Erfolg. Fünf Mittzwanziger aus einer Münchner Studenten-WG erobern mit einem stimmigen Konzept Bühnen und Blätterwald. Dabei hat alles mit einem Biertisch angefangen.

Zu jedem professionellen Konzept gehört eine Gründungslegende. Nach dieser ist der krachlederne „Volx-Pop“ bei nächtlichen WG-Partys einfach spontan entstanden. Etwas wahrscheinlicher ist, daß der Münchner Produzent, Musik- und Medienmanager Martin Simma eine geniale „Guerilla-Marketingstrategie“ für eine innovative Volksmusiktruppe erfunden hat.

Die Zutaten: Trachten, Tradition und urbairische Folklore sowie zu gleichen Teilen HipHop, „Streetwear“ und moderne Kommunikationsmittel. VoXXclub ist die konsequente Fortführung des robusten Erfolgstrends von Landhaus-Mode, Landlust-Magazin und Oktoberfestgefühl. Der erste öffentliche Auftritt war ein perfekt inszenierter Medien-Coup. Mitten im Münchner Einkaufszentrum Riem-Arcaden legte das Quintett plötzlich los. Sechs Stimmen, Akkordeon, Platteln und einige Mädel in feschen Dirndln hinterließen begeisterte Passanten und irritiertes Sicherheitspersonal. Wie kalkuliert, folgten etliche Medienberichte im lokalen Radio und Fernsehen, bei Youtube wurde dieser Flashmob seit Mitte März eine Million Mal angeklickt.

Nun legten die Buam noch eins drauf. Diesmal wurde das ganze auf Facebook angekündigt. 1.500 Fans gefiel das und sie kamen tatsächlich nach Großhesselohe. Dem Wirt der Waldwirtschaft (WaWi), Sepp, brach nicht nur wegen des schönen Wetters der Schweiß aus. So viele Gäste hat die WaWi zur Eröffnung der Biergartensaison wohl noch nie angezogen. Aber vorher wurde auf der Wiese nebenan die Choreographie für den Hit „Rock mi!“ geprobt. Und es hat perfekt geklappt, der ganze Biergarten in einem Rhythmus gewogt. Das Ergebnis wurde auf Youtube schon weit über 300.000mal angeschaut.

Das Mitte März veröffentlichte A-capella-Album „Alpin“ stieg in den Charts auf Platz 74 ein (in Österreich sogar auf 31), die Single „Rock mi!“ auf Platz 45. Manager Simma dürfte zufrieden sein mit seinen Jungs. Die haben allesamt einen musikalischen Ausbildungshintergrund, von Kirchenchor bis Theaterstudium. Vorarlberger Michi (29) hat sogar Musikpädagogik studiert und wäre beinahe Lehrer geworden, als voXXclub dazwischenkam. Entsprechend vielseitig ist ihre Variationsfähigkeit. „S’Leb’n is wia a Traum“ ist ein flotter Swing mit entstaubten Comedian-Harmonists-Anklängen, „Rock mi!“ ein rockiger HipHop-Kracher. Die alpine Lawine rollt.

Manche bemäkeln, daß es sich nicht um authentische Volksmusik, sondern um ein kommerzielles Projekt handelt, daß die Trachtenhosen zu modisch sind und der bairische Dialekt nicht genau stimmt, weil kein Bayer „Weißwurst“ – mit s statt sch – sagt. Band und Fans ist’s (Weiß-)wurscht. Für den Herbst hat das Management eine zünftige Deutschland-Tour angekündigt. Spätestens bei allen Oktoberfesten wird „Rock mi!“ dann deutschlandweit in aller Munde sein.

Mut machen kann den Jungs der Erfolg des österreichischen „Volks-Rock n’ Rollers“ Andreas Gabalier, der inzwischen mühelos große Hallen füllt. Da schmeißen sich Tausende von Großstädtern in Dirndl und Lederhosen und können gar nicht genug kriegen von den Songs über Berge, Seen und Liebe.

Die unbekümmert positiven Inhalte der Lieder, die unverhohlene Heimatliebe und der erfrischend natürliche Umgang mit Tradition sind für linke Selbsthasser natürlich grauslig. Da ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis politisch korrekte Spießer mal wieder „rechte Ideologien“ in die Texte interpretieren, wie auch schon bei Gabalier oder der Südtiroler Partyband „Volxrock“. Doch die neue Lust am „Hoamat-gfühl“ ist stärker als die ewiggestrigen Tabus. Volksmusik als neue, positive Protestkultur. Schock’ deine 68er-Eltern – steh’ zu Dahoam!

Foto: Die Sänger der A-Capella-Gruppe voXXclub: Mit Trachten, „Streetwear“, urbairischer Foklore und vor allem mit viel Spaß im Gepäck

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