© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

An der Hemmschwelle
Bundeswehr: Die Diskussion über den möglichen Ankauf von Kampfdrohnen gewinnt an Fahrt
Martin Böcker

Der geplante Kauf von Kampfdrohnen für die Bundeswehr stößt auf wachsenden Widerstand. In der vergangenen Woche sorgte die Meldung unter den Drohnen-Gegnern für Aufregung, daß die  Vereinigten Staaten den möglichen Verkauf praxiserprobter und bewaffneter „Reaper“-Drohnen an die Bundeswehr genehmigt haben – nach einer unverbindlichen Anfrage des Bundesverteidigungsministeriums. Politiker der Grünen und der SPD zeigten sich empört. Es würden am Bundestag vorbei Fakten geschaffen, Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) lege „vordemokratisches Verhalten“ an den Tag, lauteten die Vorwürfe. Die Aufregung verwundert allerdings, denn die Anfrage und die bis dato ausstehende offizielle Antwort waren schon seit Monaten bekannt – wie der Journalist Thomas Wiegold in seinem sicherheitspolitischen Blog „Augen geradeaus“ nachgewiesen hat. Außerdem ist damit noch keine Kaufentscheidung getroffen.

Mit der prinzipiellen Zusage eines möglichen Verkaufs hat das Verteidigungsministerium nun eine weitere Option, die es dem Bundestag mit Bitte um Beschaffung vorlegen könnte. In Afghanistan arbeitet die Bundeswehr derzeit mit dem unbewaffneten israelischen System „Heron“. Als bewaffnete Alternativen stünden eine Weiterentwicklung der „Heron“, die „Reaper“ oder eine europäische Eigenproduktion zur Auswahl. Zuletzt mußte allerdings das europäische Drohnenprojekt „Euro Hawk“ aus Kostengründen eingestellt werden. Das Modell basiert auf dem in den Vereinigten Staaten produzierten „Global Hawk“; Experten vermuten, daß die Verkehrszulassung unter anderem an der mangelnden Bereitschaft der amerikanischen Firmen scheitert, alle technischen Details der „Global Hawk“ offenzulegen.

Luftwaffenchef Generalleutnant Karl Müllner und der Vorsitzende des Bundeswehrverbands Oberst Ulrich Kirsch fordern nach wie vor den zügigen Kauf eines einsatzfähigen und erprobten Modells. Sie argumentieren mit der Sicherheit der Soldaten im Auslandseinsatz. Demnach käme nur die amerikanische „Reaper“ in Betracht. Dagegen argumentieren Verteidigungspolitiker verschiedener Parteien, wie Ernst-Reinhard Beck (CDU) oder Rainer Arnold (SPD). Prinzipiell befürworten sie zwar die Beschaffung solcher Fluggeräte, allerdings nur von europäischen Waffenbauern – was zwangsläufig einige Jahre Wartezeit mit sich brächte, eine europäische Lösung wird wohl nicht vor 2020 verwirklicht werden können (JF 42/12). Das Verteidigungsministerium möchte seine Vorstellungen bis spätestens Ende Juni  dem Parlament vorlegen, also noch vor der Sommerpause. Vor der Bundestagswahl wird es allerdings keine Entscheidung mehr geben. Es bliebe also genug Zeit für eine gesellschaftliche Debatte über den Einsatz unbemannter Flugsysteme, die ja nicht nur über Kampfdrohnen der Bundeswehr, sondern auch über Überwachungsdrohnen der Polizei oder andere zivile Verwendungsmöglichkeiten geführt werden könnte.

Doch trotz der Vielseitigkeit des Themas beschränkt die Debatte sich auf die Kampfdrohnen und dreht sich dabei im Kreis. De Maizière hat im Januar in einer Aktuellen Stunde im Bundestag seine Argumente für den Kauf von Kampfdrohnen zusammengefaßt. Seitdem beschränken sich seine Interviews und Vorträge zum Thema praktisch nur auf eine ständige Wiederholung dieser Standpunkte. Seiner Ansicht nach hätten Drohnen eine deutlich längere „Stehzeit“ als Kampfflugzeuge und seien deutlich günstiger, nicht zuletzt wegen des fehlenden Piloten an Bord. Eben dies sei „die Zukunft der Luftfahrt“, und Deutschland dürfe bei der Entwicklung dieser „Zukunftstechnologie“ nicht fehlen.

Die Argumentation der Gegner hat sich ebenfalls kaum verändert; die Begründungen für ihre Ablehnung sind nicht ganz von der Hand zu weisen, aber in erster Linie hypothetisch: Drohnen könnten völkerrechtswidrig zum gezielten Töten von Unschuldigen verwendet werden – wie es den Vereinigten Staaten unter anderem in Pakistan vorgeworfen wird. Außerdem sinke die Hemmschwelle zum Töten, wenn das Opfer eines Drohnenangriffs nur noch über einen Bildschirm betrachtet werden könne.

Dem hält de Maizière entgegen, daß die Art der Verwendung zunächst nichts mit dem Waffensystem an sich zu tun habe, denn rechtlich gebe es keinen Unterschied zu anderen Distanzwaffen: „Grundlage für jeden militärischen Einsatz einer Drohne, insbesondere wenn sie bewaffnet ist, ist immer unser Grundgesetz“, sagte er vor dem Bundestag. Das gezielte Töten sei Sinn und Zweck der Kampfdrohnen – wie auch bei jeder anderen Waffe, die den gezielten Schuß ermöglicht. In einer ähnlichen Logik lehnte er auch das Argument der sinkenden Hemmschwelle ab. Denn auch in Kampfflugzeugen oder etwa U-Booten könnten die Waffenbediener ihr Ziel nur über den Bildschirm ausmachen. Zudem würde diese Begründung konsequent zu Ende gedacht, bedeuten, daß ein Soldat zunächst sich selbst gefährden müßte, um legitim töten zu dürfen.

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