© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Sieg gegen das Establishment
Kommunalwahl Großbritannien: Während die EU-kritische UKIP jubiliert, sind Tories und Labour fassungslos
Josef Hämmerling

In schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist es sehr verlockend, eine Ansammlung von Clowns und empörten Wutbürgern zu wählen.“ Mit diesen Worten versuchte der konservative Minister Kenneth Clarke kurz vor den Kommunalwahlen in den Grafschaften Lincolnshire und Gloucestershire die Tory-Wähler bei der Stange zu halten. Doch es half nichts. In beiden Grafschaften erreichte die United Kingdom Independent Party (UKIP) aus dem Stand rund 25 Prozent der Stimmen und wurde damit nach den Tories und der Labour-Partei drittstärkste Kraft. Die im Kabinett mitregierenden Liberalen wurden gar deklassiert. So jubelte dann auch der UKIP-Vorsitzende Nigel Farage: „Nun laßt die Clowns ran. Wir sind von allen geschmäht worden – vom gesamten Establishment, und nun sind sie geschockt und fassungslos, weil wir überall, wo wir im Land kandidiert haben, mehr als 25 Prozent der Stimmen gewonnen haben. Das ist eine wirkliche Zeitenwende in der britischen Politik.“

Hoffnungsvolle Blicke auf die Parlamentswahl

Statt der bisherigen acht Mandate holte die EU- und einwanderungskritische Partei nunmehr 147 Mandate. Noch schlimmer kam es für die Konservativen bei Nachwahlen in South Shields. Dort verteidigte die LabourPartei trotz großer Verluste zwar den Sitz von Ex-Außenminister David Miliband, doch die Tories wurden nach der UKIP sogar nur drittstärkste Kraft. Der britische Wahlforscher Robert Ford von der Universität Manchester nannte die Erfolge der Protestpartei eine „beispiellose Leistung“, die zuvor noch keine andere Partei im Vereinten Königreich in dieser kurzen Zeit erzielt hätte. Sowohl das Lächerlichmachen der UKIP als auch die Annäherung der Konservativen an die Forderungen der Farage-Partei, so etwa das Referendum im kommenden Jahr über einen EU-Austritt, hätten den Tories mehr geschadet als genutzt.

Und so schaut die UKIP dann auch hoffnungsvoll auf die nächsten Parlamentswahlen 2015. Hatte die Partei bei den Unterhauswahlen 2010 nur 3,1 Prozent der Stimmen erreicht, erhoffen sich Farage und seine Mitstreiter nunmehr um die 20 Prozent der Stimmen. Doch aufgrund des in Großbritannien herrschenden Mehrheitswahlrechts erwarten Wahlforscher nur zwischen zwei und zehn Sitze für die UKP.

Dennoch schätzen politische Beobachter, daß Premier David Cameron nun einen noch deutlicheren europakritischeren Kurs fahren wird, um wieder Stimmen von der UKIP abzugreifen. Ob dies gelingt, erscheint fraglich, da UKIP nicht nur die EU, sondern vielmehr das gesamte politische System des Inselstaats kritisiert – besonders auch die Verarmung der Arbeiter- und Mittelschicht.

Setzt sich diese Entwicklung fort, könnte die UKIP sogar eine echte Gefahr für die Tories werden. So meint Nigel Farage dann auch siegestrunken: „Die Menschen, die uns wählen, lehnen das Establishment ab – und das zu Recht.“

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