© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Grüße aus Bern
Doktor, Doktor
Frank Liebermann

Seit den Affären um Karl-Theodor zu Guttenberg oder Annette Schavan mußte man sich als deutscher Akademiker in der Schweiz mit Hohn und Spott eindecken lassen. Sprüche wie „Wo hast du denn abgeschrieben“ oder „Dr. Google“ anhören, andere trällerten nach jedem Skandal das lustige Liedchen „Alles nur geklaut“. Doch seit ein paar Tagen ist alles anders. Die lieben Schweizer haben zu ihrer gewohnten Bescheidenheit zurückgefunden. Der Grund ist nicht das Abebben der Skandale in der Heimat, vielmehr haben die Schweizer jetzt auch ihren Doktorskandal.

„Der Clou: Die Witze über deutsche Akademiker sind nun deutlich zurückgegangen.“

Vor einigen Wochen thematisierte das Politikmagazin „Rundschau“ im Schweizer Fernsehen die Qualität von mehreren Dissertationen, die vom SVP-Politiker Christoph Mörgeli am Medizinhistorischen Institut in Zürich betreut wurden. Angeblich habe er, ohne auf jegliche wissenschaftliche Qualität zu achten, mehrere Doktortitel vergeben. Da nur simple Übersetzungsleistungen ohne Forschung Gegenstand mehrerer Dissertationen waren, kritisieren einige Forscher die Titelverleihung. Andere Wissenschaftler widersprachen, da bei Medizinern die Dissertation eher eine „Formsache“ sei und der Forschungsansatz sowieso nicht wissenschaftlichen Standards genügen müsse. Medizinische Dissertationen hätten oft nicht mehr Wert als Hausarbeiten in einem Bachelor-Studium, ihre Lorbeeren hätten sich die Ärzte durch ihre Leistungen im Studium erworben, rechtfertigten andere Wissenschaftler die Qualität.

Jetzt hat sich ein weiteres Medium dem Thema angenommen. Das Magazin Weltwoche hat die Dissertationen von diversen Politikern unter die Lupe genommen. Für die meisten Politiker ist das Ergebnis ernüchternd. So hat beispielsweise der Berner sozialdemokratische Politiker Philippe Perrenoud eine Arbeit mit 13 Seiten Text erstellt, auf eine Fragestellung hat der Autor gleich ganz verzichtet. Die Grüne Nationalrätin Yvonne Gilli kam mit 14 Seiten aus, während Yvette Estermann von der SVP ihren Titel aus der Slowakei mitbrachte, wo gar keine Dissertationsschrift notwendig war.

Anders als die deutschen Abschreiber, haben die Schweizer weniger ein ethisches Problem. Vielmehr profitieren sie, wie auch in Deutschland, von einer Sonderbehandlung der Ärzte im Promotionsbereich. Ein Gutes hat der Skandal zumindest. Die Witze über deutsche Akademiker sind deutlich zurückgegangen.

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