© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Ein Flächenbrand scheint unvermeidbar
Syrienkonflikt: Mit dem forschen Eintreten der Hisbollah und Israels erreicht der Bürgerkrieg eine neue hochbrisante Eskalationsstufe
Marc Zöllner

Es ist vor allem die Intervention einer neuen Bürgerkriegspartei – der radikalen schiitischen Hisbollah-Miliz, die den Syrienkonflikt auf eine neue Eskalationsstufe hebt.

Diese erzielt, auch dank Hilfe regulärer syrischer Streitkräfte, nicht nur immer größere Landgewinne, beispielsweise in der Region Al-Qusayr, rund zwanzig Kilometer südlich der von Aufständischen symbolträchtig gehaltenen Stadt Homs. Vor zwei Wochen gelang es ihr überdies, ihre erste Drohne iranischer Bauart bis zur israelischen Hafenstadt Haifa zu entsenden.

In der Nacht zum Montag flogen israelische Kampfflugzeuge nun zu ihrem dritten Angriff binnen drei Tagen. Diesmal bombardierten sie Ziele unweit der syrischen Hauptstadt Damaskus. Eine Kaserne der Republikanischen Garde sowie eine Forschungseinrichtung seien getroffen worden, berichteten syrische Oppositionelle.

„Syrien hat noch immer Freunde in der Region“

Bereits zwei Tage zuvor erfolgte ein Präventivschlag der israelischen Luftwaffe gegen einen Transportkonvoi der Hisbollah, der offensichtlich iranische Scud-D-Raketen in den Libanon schmuggeln wollte. Geschosse, die mit einer Reichweite von rund 700 Kilometern nicht nur Ziele in ganz Israel erfassen, sondern überdies mit chemischen Sprengköpfen bestückt werden könnten.

Für Israel ist dieser Eingriff in den syrischen Bürgerkrieg riskant. Schon in den Vormonaten kam es zu mehr oder weniger verdeckten Operationen beispielsweise gegen die assadfeindlichen islamistischen Al-Nusra-Brigaden. Deren Anführer, Abu Mohammed al-Jawlani, erklärte vor drei Wochen erst die Allianz seiner Einheiten mit Ayman al-Zawahiris gefürchteter Terrororganisation „al Qaida im Irak“. Selbstmordattentäter an der syrisch-israelischen Grenze wären für Tel Aviv ein Alptraum, noch mehr jedoch die Bewaffnung der libanesischen Hisbollah mit High-Tech-Raketen.

Daß der syrische Bürgerkrieg sich zu einem regionalen Flächenbrand entwickeln könnte, wird durch Israels Eingreifen jedoch immer wahrscheinlicher. Zwar verlautete im Umkreis des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu, man wolle vermeiden, „die angespannte Situation mit Syrien noch zu verschärfen“. Sollte es Aktionen seitens Israel geben, seien diese „lediglich gegen die Hisbollah gerichtet und nicht gegen die syrische Regierung“, erklärte Netanjahus langjähriger Vertrauter Tzachi Hanegbi am Montag der BBC. Trotz alledem sprach Syriens Präsident Baschar al-Assad auch weiterhin von einer „offenen Kriegserklärung“.

Nicht unbegründet: Die Hisbollah ist einer der wenigen verbliebenen Verbündeten Assads. „Syrien hat noch immer Freunde in der Region“, erklärte der Hisbollah-Vorsitzende Hassan Nasrallah kürzlich im libanesischen Fernsehen. „Wir werden nicht zulassen, daß Syrien in die Hände Amerikas, Israels oder radikaler Dschihadgruppen fällt.“ Die Hisbollah, so Nasrallah, sei von nun an eine der Schlüsselfiguren der assad-treuen „Achse des Widerstandes“, bestehend aus „Syrien, dem Iran und den Palästinensern“.

Mit dem neuerlichen Waffengang der radikal-schiitischen, vom Iran finanzierten Hisbollah-Miliz wird Israel weiter in die Offensive gedrängt. Israelische Truppen trainieren seit Tagen bereits Einsätze auf den Golanhöhen. Das Verteidigungsministerium verlegte zwei seiner fünf Iron-Dome-Raketenabwehrsysteme an die Grenzen zum Libanon und Syrien. Eine Eskalation des Konflikts scheint mittlerweile unvermeidbar.

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