© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/13 / 17. Mai 2013

CDU, Burschenschaft und der Fall Michael Büge
Lebensbund als Prinzip
Dieter Stein

Die Burschenschaft wurde mir zur zweiten, dem Elternhaus gleichgerichteten Heimat. Hier fand ich Freunde fürs Leben.“ Dieses Zitat stammt vom Widerstandskämpfer Karl Sack, der am 9. April 1945 in Flossenbürg wegen Beteiligung am Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurde. Sacks Bekenntnis verdeutlicht, wie eng diese als „Lebensbund“ verstandene Klammer einer Studentenverbindung im besten Sinne verstanden werden kann.

Dieses Bewußtsein droht in einer Zeit der Beliebigkeit und der Bindungslosigkeit in Vergessenheit zu geraten. Nicht nur die Scheidungsrate steigt, geht der Trend zu „Lebensabschnittspartnerschaften“, es scheint auch das Rückgrat zu einem austauschbaren Ersatzteil zu degenerieren.

Der konservative Publizist Richard Wagner, mit dem wir in dieser Ausgabe ein Gespräch über seinen berühmten Namensvetter führen (siehe Seite 3), kommentierte einmal treffend das opportunistische Verhalten bürgerlicher Politiker, die wegen ihrer Mitgliedschaft in Studentenverbindungen unter Druck geraten: Christoph Ahlhaus, Nachfolger des Hamburger CDU-Bürgermeisters Ole von Beust, war 2010 ins Visier einer linken Kampagne geraten, weil er Mitglied einer Turnerschaft im Coburger Convent war. Ahlhaus habe, so Wagner, „die letzte Hürde auf dem Weg ins Amt durch einen hingebungsvollen Akt der Selbstentmannung weggeräumt“, als er um die schwarz-grüne Koalition zu retten eilfertig seine Verbindung verließ. Sein Opportunismus zahlte sich nicht aus, er ging bei den folgenden Wahlen grandios baden.

In Berlin nun wurde der Sozial-Staatssekretär Michael Büge (CDU) seit Ende letzten Jahres Zielobjekt einer ähnlichen linken Kampagne. Büge sei Mitglied in der Berliner Burschenschaft Gothia, wurde ihm vorgeworfen. Die CDU, deren Chef Frank Henkel selbst Verbindungsstudent ist, ließ Büge erwartungsgemäß im Regen stehen. Gesundheitssenator Mario Czaja forderte seinen Untergebenen ultimativ auf, entweder die Verbindung oder sein Amt aufzugeben.

Die große Überraschung in diesen wetterwendischen Zeiten: Büge, der für den Einstieg in die Politik immerhin den Status des Berufsbeamten aufgab und der jetzt nicht nur vor seinem politischen, sondern auch beruflichen Aus steht, knickte nicht ein. Er weigerte sich, die Treue zu seinem Lebensbund der Feigheit seiner Parteiführung zu opfern. Büge wurde am Dienstag als Staatssekretär entlassen, er verläßt sein Büro erhobenen Hauptes (siehe Seite 6).

Die Beispiele für bürgerliche Feigheit und Anpassung sind in unserer Zeit Legion. Es ist ermutigend, daß Männer wie Büge zeigen, daß es auch anders geht. Die Burschenschaft, der Büge seine Treue erwies, tut gut daran, ihre besondere Widerstandsgeschichte in Ehren zu halten und diese auch heute in Wort und Tat zu bezeugen.

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