© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/13 / 17. Mai 2013

Bestellte Beweise
Bertelsmann-Studie: Selbst bei Abschreibung der Rettungsmilliarden soll der Euro noch ein Gewinnbringer sein
Wilhelm Hankel

Die lang vermißte und vermutlich wahlentscheidende Skepsis gegenüber dem Euro wächst. Der angebliche Segen der Gemeinschaftswährung für das Wohlergehen von Land und Leuten wird nicht allein hierzulande, sondern auch in anderen Euro-Ländern – zahlenden wie bezahlten – immer mehr angezweifelt. Doch gleichzeitig schießen die „wissenschaftlichen Beweise“ dafür, daß Europa – und speziell Deutschland – mit dem Euro in der besten aller Welten lebe, wie Pilze aus dem Boden. Den Anfang machte voriges Jahr eine Studie der US-Bank Goldman Sachs, bei der niemand argwöhnte, es wären dabei alte oder noch fortbestehende personelle Querverbindungen zur Europäischen Zentralbank (EZB) im Spiel gewesen. Ins selbe Horn stieß kürzlich der Eigeninteressen unverdächtige US-Investor George Soros (JF 17/13). Daß eine aktuelle Auftragsstudie für die Bertelsmann-Stiftung ebenfalls den alleinseligmachenden Euro feiert und Währungs- wie politische Alternativen verdammt, überrascht niemanden, der die Aktivitäten der milliardenschweren „Strippenzieher aus Gütersloh“ (JF 16/11) aufmerksam verfolgt.

Sogar wenn Deutschland einen Großteil seiner Euro-Rettungsmilliarden abschreiben müßte, überwiegen laut Ansicht des Studienerstellers Prognos AG die wirtschaftlichen Vorteile die Nachteile der Währungsunion: „Eine Rückkehr zur D-Mark würde erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Die Deutschen würden Einkommen und Arbeitsplätze verlieren“, warnte eindringlich Aart Jan de Geus, Chef der Gütersloher Denkfabrik. „Ein Europa ohne Euro würde auseinanderfallen und hätte im internationalen Vergleich das Nachsehen“ – das klingt nach Angela Merkel, und de Geus ist zufälligerweise Mitglied der europhilen niederländischen Christdemokraten (CDA) und einstiger Sozialminister.

Doch nicht nur Schwarz-Gelb, sondern ebenso die Grünen, die SPD – und neuerdings auch Tiefrot (Stichwort: Euro-Novize Gregor Gysi) – dürfen sich nun durch die Bertelsmann-Stiftung bestätigt fühlen. Was an diesem Gleichklang und seinem Echo in Deutschlands Leitmedien auffällt, ist die auffällige Parallele zur Klima-Debatte. Ob bevorstehende Klima- oder D-Mark-„Katastrophe“: „Experten“ beweisen einem erschrockenen Publikum anhand von „Modellrechnungen“ mit wissenschaftlicher Präzision, was ihm bevorsteht, wenn es die Resultate dieser Ausrechnungen und die Warnungen der Fachwelt in den Wind schlägt.

Im einen Fall muß CO2 „gespart“ werden, sonst gehen Holland und Bangladesch unter. Im andern Fall darf hingegen nicht an immer mehr „neugedruckten“ Euro gespart werden, denn sonst droht über Staats- und Bankenkonkurse die Einheitswährung Ruf und Funktion zu verlieren – zum Schaden aller, nur nicht ihrer Verderber. Was zählen da Steuerzahlerhaftung und Sparerenteignung, Verantwortung oder EU-Vertragstreue? Wenn es um den Euro geht, muß eben „alles getan werden“ – so EZB-Chef Mario Draghi ganz zufällig im Anschluß an die Euro-Studie seines früheren Arbeitgebers Goldman Sachs.

Der hinter solchen Auftragsstudien stehende Roßtäuschertrick besteht aus zwei Teilen: a) der Methode und b) der Auswertung der auf diese Weise gefundenen Ergebnisse. Die Prognos-Modellbauer rechnen sich ihre Ergebnisse (als Annahmen, Zusammenhänge und Folgewirkungen) zuvor in ihre Modelle hinein, um sie dem geschockten Publikum hinterher als unanfechtbare Resultate zu präsentieren. Doch schon Immanuel Kant verbat sich solche „Erkenntnisse“ angewidert als nichtssagend.

Nicht minder enthüllend ist der Trick mit der Auswertung. Alle Modellrechnungen kommen in einem Punkt zum selben Ergebnis: Die deutsche Volkswirtschaft müsse nach der Rückkehr zur D-Mark einen Aufwertungsschock verkraften. Er läge zwischen 30 Prozent im Außenverhältnis und 50 Prozent innereuropäisch, denn der Rest der Euro-Zone dürfte zur neuen D-Mark um 20 Prozent abwerten. Daraus errechnet die Prognos-Studie für Deutschlands Verbleiben im Euro für die nächsten zwölf Jahre (bis 2025) einen volkswirtschaftlichen Wachstumsgewinn von 2,5 Billionen Euro (einem halben Bruttoinlandsprodukt des Jahres 2012), für jeden Deutschen ein Einkommensplus von 1.100 Euro und 200.000 neue Arbeitsplätze.

Beim Übergang zur D-Mark würde sich dagegen ein Wachstumsverlust von 0,5 Prozent jährlich ergeben. Selbst wenn diese Zahlen stimmen – es wäre kein zu hoher Preis für den damit erkauften Verzicht auf die künftigen Raten der Euro-Inflation, den Anstieg der Staatsschulden aufgrund der Transferleistungen und die Mehrbelastung an Steuern. Ein Ökonom, der „Kosten“ berechnet und die damit verbundenen „Erträge“ unterschlägt, ist nicht redlich.

Eine DM-Aufwertung von 50 Prozent zum Rest-Euroverbund und 30 Prozent zum US-Dollar wäre – wie einst SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller sagte – eine „Sozialdividende für das deutsche Volk“: Alle Deutschen würden von ihr profitieren und nicht nur die großen „Player“ des Export- und des Finanzsektors. Es wäre die Sicherung aller Ersparnisse, Renten und der Arbeitsplätze – denn mit einem Kaufkraftgewinn von 50 Prozent auf eine Importquote von über 30 Prozent Anteil am (Brutto-)Volkseinkommen wachsen (auch nach diesen Prognos-Modellrechnungen) Binnenmarkt und Binnennachfrage um gut 15 Prozent, was allemal ausreichen würde, Deutschlands Konjunktur und Prosperität bis 2025 und länger zu sichern.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel ist „Euro-Kläger“ der ersten Stunde. Er leitete unter Minister Karl Schiller (SPD) die Bankenenquete, aus der die Einlagensicherung hervorging.

www.dr-hankel.de

 

„Deutschland profitiert vom Euro“

„Zentrales Anliegen der Kurzstudie ist es herauszuarbeiten, inwiefern die Zugehörigkeit Deutschlands zur europäischen Gemeinschaftswährung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene nach wie vor ein Vorteil ist“, heißt es in der aktuellen Prognos-Studie zum Euro für die Bertelsmann-Stiftung. Was dann auf den folgenden Seiten präsentiert wird, kann daher nicht überraschen: Deutschland profitiere erheblich vom Euro. Die Vorteile würden „auch dann deutlich überwiegen, wenn angenommen wird, daß Deutschland und die übrigen internationalen Gläubigerländer einen Großteil ihrer Forderungen abschreiben müssen, die sie aufgrund der verschiedenen Euro-Rettungsmaßnahmen an die stark verschuldeten Staaten Südeuropas haben“. Die dann höhere deutsche Staatsverschuldung „wirkte sich zwar dämpfend auf die wirtschaftliche Dynamik aus“, die Auswirkungen „hielten sich jedoch in engen Grenzen“.

Die Prognos-Studie „Vorteile Deutschlands durch die Währungsunion“ gibt es kostenlos als pdf-Datei: www.bertelsmann-stiftung.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen