© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/13 / 17. Mai 2013

Großkonzerne bevorzugt
Agrarpolitik: Der neue Saatgut-Gesetzentwurf der EU stößt nicht überall auf Gegenliebe
Volker Kempf

Die EU-Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucher, kurz DG Sanco (Directorate General for Health an Consumers), legte am 6. Mai ihren Revisionsvorschlag für das europäische Saatgut-Verkehrsgesetz vor. Amtliche Kontrollen sollen demnach nach den zurückliegenden Lebensmittelskandalen wie dem Pferdefleischskandal verstärkt werden. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sollen die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften vor Ort effizienter überwachen.

Dabei soll das bestehende Gebührensystem, mit dem die Kontrollen gemäß dem Nachhaltigkeitsprinzip entlang der Lebensmittelkette finanziert werden, auf weitere Bereiche ausgedehnt werden, für die bisher keine Gebühren anfallen. Daher verspricht die EU-Kommission, das Nachhaltigkeitsprinzip würde damit auch das Saatgut betreffend gestärkt. Was speziell die Saatgutverordnung betrifft, enthalte der Reformvorschlag „vereinfachte und flexiblere Vorschriften für die Bereitstellung von Saatgut und anderem Pflanzenvermehrungsmaterial auf dem Markt“.

Durch ein einheitliches EU-Recht, welches das bisherige nationale Recht verdrängen soll, würden die bisherigen EU-Rechtsvorschriften von 70 Rechtsakten auf fünf „verschlankt“. Die Zulassung erfolge dann zentral. Ausgenommen bliebe von den EU-Vorschriften der Einsatz von Saatgut für private Zwecke.

Für althergebrachte Sorten und Mischmaterial würden nur abgeschwächte Registrierungsvorschriften gelten. Kleinunternehmen mit höchstens zehn Mitarbeitern und zwei Millionen Euro Jahresumsatz dürften mit weniger strengen Auflagen rechnen und damit Pflanzenvermehrungsmaterial jeden Typs als „für Nischen bestimmtes Material“ ohne Registrierung auf den Markt bringen. Registrierungsgebühren würden in diesen Fällen nicht erhoben.

Kritiker werfen dem EU-Kommissionsvorschlag vor, weniger intelligent als vielmehr gerissen zu sein, zugunsten von Agrokonzernen wie Monsanto. Diese würden durch die anberaumte Neuverordnung die Konkurrenz mittelständischer Unternehmen auf Nischen festlegen. Die Forderung von Ökozüchtern, die Registrierung oder auch die Wertprüfung gezüchteter Sorten unter ökologischen Voraussetzungen sowie in der Ursprungsregion durchzuführen, wurde zu deren Bedauern nicht berücksichtigt.

Befürchtet wird daher von regionalen Züchtern ein fortschreitender Verlust direkter Ansprechpartner und die fehlende Möglichkeit für ökologisch gezüchtete Sorten, eine regionale Registerprüfung vornehmen zu lassen.

Vor allem bemängeln regionale Züchter, daß die vorgesehene Regelung zwar den Handel mit althergebrachten Sorten nicht erschwert, aber für Neuzüchtungen kleinerer Unternehmen sehr wohl. Dies schade jenen Züchtern und laufe dem Versprechen der EU-Kommission zuwider, der Agrobiodiversität, also der Artenvielfalt im Agrarbereich, zu dienen.

Aber nicht nur Saatenzüchter kleinerer Unternehmen blicken sorgenvoll nach Brüssel. Auch konventionelle Landwirte befürchten Nachteile. Denn eine EU-Saatgutverordnung, die Saatgut strenger kontrollieren helfen soll, verhindert die gängige Praxis, geerntete Feldfrüchte als Saatgut auf ihren Äckern ausbringen zu können. Dafür würden dann Gebühren anfallen.

Noch bietet der Verordnungsvorschlag einiges an Projektionsfläche, weil die Durchführungsverordnungen noch fehlen, die andere EU-Organe wie das Europäische Parlament und den Rat passieren müssen.

Dieses Verfahren gilt Kritikern indes selbst schon als zu intransparent und daher als gute Möglichkeit für Großkonzerne, ihre Interessen besser einbringen zu können. Der agrarpolitische Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling, erklärt, „durchaus für die Harmonisierung der Rechtssysteme“ zu sein, „nicht aber für die Zentralisierung“. Er sieht in dem Vorschlag für eine neue Saatgutverordnung eine Begünstigung von Konzerninteressen.

Der Entwurf für eine EU-Saatgut-Neuverordnung sorgte im Vorfeld schon für Diskussionen. Bürger unterzeichneten vielfach Resolutionen, woraufhin in Details nachgebessert wurde.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen