© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Vermeintlicher „Nazi-Vergleich“ des ungarischen Premiers
Kavalleristen
Reinhard Liesing

Als Waffengattung ist die Kavallerie längst untergegangen. In der politischen Auseinandersetzung lebt sie wieder auf. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ließe sie am liebsten gegen die Schweiz ausrücken, für die Kanzlerin sind die Berittenen eine auf Steinbrück gemünzte Sottise in einem Nebensatz gewesen. Der Hauptsatz ihrer Aussage, nämlich „Wir werden alles tun, um Ungarn auf den richtigen Weg zu bringen“, hat den ungarischen Ministerpräsidenten, auf den er gemünzt war, erzürnt.

Verständlich, denn so ein wuchtiger Kernsatz verletzt nicht nur den Nationalstolz der Magyaren, den Orbán gewiß meisterlich zu instrumentalisieren weiß, sondern erinnert – mehr als seine geschichtlich nicht ganz saubere Reprise, nämlich der Rückgriff auf 1944 – an die unselige Breschnew-Doktrin. Soviel historisches Einfühlungsvermögen hätte selbst die in der DDR sozialisierte Naturwissenschaftlerin Merkel aufbringen müssen.

Was Spiegel Online dann zur Schlagzeile „Orbán wirft Merkel Nazi-Methoden vor“ aufbauschte und Merkels getreuer Paladin Guido Westerwelle zur „Entgleisung“ hochstilisierte, war auf den gegen Orbáns Ungarn gerichteten publizistischen Mainstream sowie die politisch korrekten europäischen Linken gemünzt, in deren Chor nun auch EVP- und Unions-Politiker einstimmen zu müssen glauben.

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