© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Vivane Reding sorgt dafür, daß sich in der EU bald kein Widerstand mehr rührt
Brüssels Beria
Michael Paulwitz

Wo Kommissare auftauchen, wird’s meist ungemütlich. Aber wenn die Justizkommissarin und Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Reding umgeht, ziehen selbst abgebrühte Regierungschefs die Köpfe ein. Denn dann droht nicht nur die nächste Runde im Feldzug für die Frauenquote in Unternehmensvorständen, dann wird zentralisiert, harmonisiert und nach Brüssel gezogen, was nur geht.

Regulieren ist nämlich die Leidenschaft der 62jährigen Luxemburgerin, die seit 1999 bereits der dritten Kommission angehört und zuvor zehn Jahre im EU-Parlament saß. Ob Mobilfunkgebühren, Studienabschlüsse, Datenschutz in Unternehmen oder Fernsehwerbung: Ziel ist eine Befehlsempfänger-Behörde in jedem Land, die durchsetzt, was Brüssel beschließt, egal, ob die Betroffenen unter der bürokratischen Knute stöhnen.

Wer dagegen aufmuckt, bekommt es mit der Kommissarin zu tun. Solle sie das fahrende Volk doch bei sich in Luxemburg aufnehmen, verbat sich Nicolas Sarkozy einmal Kritik an der Rücksendung unerwünschter Balkan-Zigeuner. Dafür gab’s gleich eins mit der großen Nazipeitsche. Später mußte sie zwar ein unterkühltes Bedauern nachschieben, aber der Striemen saß im Gesicht – Frankreich hat den Widerstand gegen die Zigeuner-invasion längst aufgegeben.

Selbst den europafrommen Deutschen muß die Euro-Domina bisweilen auf die Finger klopfen. Der Bundesaußenminister, der immer noch gegen ihre nach mehreren Anläufen in der Kommission durchgebrachte Quoten-Richtlinie opponiert, kenne „die Rechtslage“ nicht, und überhaupt, diese „groteske Mißachtung“ der Euro-Rettungspolitik: Das „Bail-out-Verbot“ gebe es doch nur im „Volksmund“. Pech für die Deutschen, wenn sie für voll nehmen, was in Verträgen steht; wenn es ernst wird, werden Recht und Wahrheit schon mal kreativ gehandhabt. Parteifreund Jean-Claude Juncker läßt grüßen.

Die Lehrertochter und promovierte Humanwissenschaftlerin war, wie so viele Überzeugungstäter, erst Journalistin geworden und später in die Politik gegangen, um „die Welt zu verändern“. Vor ihrer Europa-Karriere hatte es die dreifache Mutter in der heimischen Christlich Sozialen Volkspartei schon zur mehrfachen Abgeordneten und Vizevorsitzenden gebracht. Bremser kann sie nicht leiden, am allerwenigsten diese Ungarn, die so hartnäckig an ihrem Nationalstaat hängen und nicht im „Mehr Europa!“-Chor mitsingen wollen. Viviane Reding, die als Sprachrohr von Kommissionspräsident Barroso Brandbrief auf Brandbrief nach Budapest schickt und Stimmung gegen die Regierungspartei macht, führe einen „Privatkrieg gegen Ungarn“, murrt dessen Justizminister; das magyarische Parlament verurteilte sie parteiübergreifend wegen Mißachtung geltenden EU-Rechts. Als ob eine waschechte Kommissarin sich von ein paar Parlamentariern beim Weltverändern stören ließe.

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