© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Sieg der Pragmatiker
„Alternative für Deutschland“: Nach turbulenten Wochen nominiert der Berliner Landesverband den Eurokritiker Joachim Starbatty für den Bundestag
Henning Hoffgaard

Streit, Rücktritte und Chaos. Der Parteitag des Berliner Landesverbandes der „Alternative für Deutschland“ (AfD) am vergangenen Wochenende stand unter schlechten Vorzeichen (JF 21/13). Nicht wenige Mitglieder erwarteten eine Fortsetzung der seit Wochen dauernden Schlammschlacht zwischen den Anhängern der geschaßten Ex-Landessprecherin Annette Goldstein und dem restlichen Vorstand.

Doch es kam anders. Parteichef Bernd Lucke hatte eine dicke Überraschung für die 180 Mitglieder dabei: Joachim Starbatty. Der Ökonom hat sich mit seinen Klagen gegen den Euro und die Euro-Rettungspakete vor dem Bundesverfassungsgericht einen Namen gemacht und war wenige Tage vor dem Parteitag der AfD beigetreten. Nachdem Starbatty seine Kandidatur für den Spitzenplatz der Landesliste zur Bundestagswahl bekannt gab, zogen alle anderen Bewerber zurück. 168 von 179 Stimmen konnte Starbatty, der die AfD bisher schon wissenschaftlich beraten hatte, schließlich auf sich vereinen. Ein klarer Erfolg auch für den Bundesvorstand. In seiner Vorstellungsrede war Starbatty scharf mit der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung ins Gericht gegangen. „SPD, Grüne, CDU und FDP sind in der Paradoxie ihrer eigenen Argumente gefangen und werden bald die Taschen für die notleidenden Schuldnerstaaten öffnen müssen.“ Die AfD müsse Union und FDP vor sich hertreiben. Die Bundesregierung streue den Bürgern Sand in die Augen.

Auch auf dem zweiten Listenplatz gab es eine Überraschung. Die Delegierten wählten mit großer Mehrheit die Anti-Euro-Aktivistin Beatrix von Storch von der Zivilen Koalition. Schon seit Jahren macht von Storch, die sich auf ein breites Netzwerk aus liberal-konservativen Organisationen stützen kann, mit Petitionen rund um die Euro-Rettung auf sich aufmerksam. In ihrer kämpferischen Rede erinnerte sie daran, daß sie eine Klage gegen die Gelddruckpolitik der Europäischen Zentralbank initiiert hat. Zudem habe die Zivile Koalition auf die Gefahren des ESM aufmerksam gemacht, der klammheimlich beschlossen werden sollte. „Ich habe eine Banklehre absolviert. Ich weiß, wann ein Land pleite ist. Viele Bundestagsabgeordnete wissen das nicht“, sagte von Storch.

Ihre Wahl ist auch ein Sieg der Pragmatiker. Die Protagonisten des internen Streits dagegen waren gar nicht erst angetreten. Die AfD-Mitglieder hatten sichtlich genug von den Ränkespielen und Querelen im Vorstand. Wer es dennoch tat, wurde mit einem schwachen Ergebnis bestraft. Die Stimmung war eindeutig: Die Partei setzt auf Geschlossenheit. Gegenseitige Vorwürfe wurden nur sporadisch vorgetragen. Auch inhaltlich gab es große Einigkeit. Neben dem Kernthema Euro-Rettung kritisierten die Redner vor allem die Politische Korrektheit. Viele sprachen sich für eine strengere Integrationspolitik aus. Nicht wenige erwähnten in ihren Beiträgen die eurokritische Partei UKIP in Großbritannien. Kein Wunder, daß ein britischstämmiger Kandidat, der angegeben hatte, die Partei um Nigel Farage zu unterstützen, von der Versammlung gefeiert wurde.

Auch in Bayern stehen die Zeichen auf Versöhnung. Mußte die Vorstandswahl beim vergangenen Parteitag in Ingolstadt (JF 21/13) noch abgebrochen werden, verzichteten die beiden Konkurrenten Wolf-Joachim Schünemann und Martin Sichert nun auf einen Antritt. Gewählt wurde der Konsenskandidat Andre Wächter. „In der Partei gibt es mehr Harmonie, als nach außen getragen wird“, sagte Pressesprecher Michael Meister der JUNGEN FREIHEIT. Die nächsten Probleme stehen allerdings schon vor der Tür. Für die Landesliste haben sich 180 Bewerber gemeldet. Laut bayerischem Wahlgesetz muß jedem von ihnen eine Redezeit von mindestens zehn Minuten zugestanden werden. Statt einer Vollversammlung soll es nun eine Delegiertenversammlung geben. Meister sagte, er gehe jedoch davon aus, daß einige Kandidaten ihre Bewerbung noch zurückziehen werden.

In Niedersachsen mußte am vergangenen Wochenende die Landesliste neu gewählt werden, da ein Parteimitglied die erste Abstimmung angefochten hatte. Das Ergebnis ließ allerdings keinen Spielraum mehr für Interpretationen. Bundessprecher Bernd Lucke wurde mit 100 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen