© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Angriff aufs Bargeld
Debatte um Zahlungsverkehr: Es droht nicht nur das Ende der Cent-Münzen und 500-Euro-Scheine / Neues Einfallstor für umfassende Überwachung
Bernd-Thomas Ramb

Mitten in die Debatte um die Sparer-Schröpfung bei der „Euro-Rettung“ und die Diskussion um Schwarzgeld platzte die Meldung, die Europäische Zentralbank (EZB) würde die Abschaffung der 500-Euro-Scheine vorbereiten. Vor zwei Wochen dachten Vertreter der EU-Kommission laut über die Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen nach. Vorige Woche stellte dann eine Studie der Steinbeis-Hochschule die Behauptung auf, die Bargeldversorgung würde jeden Deutschen jährlich 150 Euro kosten.

All das hat die Diskussion über das generelle Ende von Scheinen und Münzen wiederbelebt. Während es für die Einziehung der Fünfhunderter nicht nur gute Gründe, sondern eine breite Mehrheit gibt, ist gegenüber den Plänen, nur noch bargeldlos zu bezahlen, mit breitem Widerstand zu rechnen. Beide Vorhaben treffen jedoch prinzipiell auf die gleichen Für- und Wider-Argumente. Im Falle des Euro unterliegen sie allerdings anderen Gewichtungen als bei anderen Währungen.

Die Abschaffung der 16 Zentimeter langen Violetten hat insbesondere anläßlich der zyprischen Bankenpleiten eine aktuelle Brisanz erhalten. Für den üblichen Zahlungsverkehr spielt die größte Euro-Note keine Rolle. Interessant ist sie für den diskreten interstaatlichen Transport großer Euro-Beträge und für die Lagerung und Verwendung von Schwarzgeld. Solche Geschäfte würden durch die Abschaffung des hochwertigen Scheins erschwert. Deswegen haben bereits mehrere Länder ihre großen Banknoten aufgegeben. In den USA wurden 1969 die 500-Dollarnoten eingezogen, in Kanada im Jahr 2000 der Tausender des kanadischen Dollar. Abgesehen von den Zehntausendern in Singapur und Brunei, existiert nur noch im Euro-System eine derartig hochwertige Banknote. Die umlaufenden 586 Millionen 500-Euro-Banknoten repräsentieren einen Gesamtwert von 293 Milliarden Euro. Das ist fast ein Drittel des Bargeldumlaufes.

Die Fünfhunderter jetzt einzuziehen, um einer kriminellen Verwendung Vorschub zu leisten, dürfte allerdings kaum von einem durchschlagenden Erfolg gekrönt sein. Schwarzmarktgeschäfte oder illegale Transfers über Landesgrenzen hinweg werden dann halt in der fünffachen Anzahl von 100-Euro-Noten abgewickelt. Allerdings ermöglicht eine notwendige Umtauschaktion einen Einblick in die aktuellen Besitzverhältnisse. Aber auch hier gilt: Dies muß nicht alle kriminellen Besitzer entlarven. Legale Verwender der 500-Euro-Scheine werden dagegen in ihrem Recht beeinträchtigt, ihr Geldvermögen außerhalb der staatlichen Schnüffelei zu halten.

Das weitere Argument, große Geldscheine abzuschaffen, um die Schattenwirtschaft besser zu bekämpfen, kann ebenfalls kaum überzeugen. Unversteuerte Wirtschaftsleistungen, die mit solch hohen Beträgen beglichen werden, sind ebenso selten, wie sie mit kleineren Banknoten genausogut abgewickelt werden könnten.

Einleuchtend ist alleine das staatliche Motiv, die Abwicklung wirtschaftskrimineller Geschäftsvorgänge besser kontrollieren zu können. Das aber erfordert letztlich die Abschaffung aller Banknoten und die allgemeine Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Dadurch wird aber nicht nur die steuerrechtliche Kontrolle ermöglicht. Die dabei erzeugten Daten über das Käuferverhalten wecken auch die Begehrlichkeiten nichtstaatlicher Interessenten.

Diese Gefahr wird insbesondere in Schweden verstärkt analysiert, weil dort besonders konkret an die generelle Abschaffung des Kronen-Bargeldes gedacht wird. In dem Land, in dem 1661 als erstes Papiergeld eingeführt wurde, spielt heute das Bargeld nur noch eine minimale Rolle im Wirtschaftsleben. Lediglich drei Prozent des Handelsvolumens werden noch bar abgewickelt. Selbst Kleinstbeträge werden mit der Kreditkarte, Fahrscheine per SMS bezahlt. Sogar bei der Sonntagsmesse kommt anstelle des Klingelbeutels ein Kreditkartenlesegerät in den Einsatz.

Der weitgehend bargeldlose Verkehr hat dazu geführt, daß die Zahl der Überfälle radikal zurückgegangen ist. Nicht selten stehen Bankfilialen nur noch für den digitalen Zahlungsverkehr zur Verfügung. Soweit die positive Nachricht. Die bargeldlose Abwicklung führt auf der anderen Seite zu erhöhten Kosten. Da die Geschäfte und Dienstleister diese nicht auf den Kunden abwälzen dürfen, suchen sie andere Formen der Kostenkompensation: die Verwendung der dabei entstandenen Kundendaten. Das Konsumverhalten der einzelnen Käufer läßt sich bei einer digitalen Erfassung der Transaktionen effizient für die Erstellung eines Kundenprofils und damit etwa für gezielte Werbemaßnahmen verwenden.

Zudem ergeben sich anhand der Zahlungsspuren Bewegungsprofile. Der Staat hat, insbesondere mit dem Argument der Verbrechensbekämpfung, erhebliches Interesse an der Verwendung dieser Daten. Damit wird ein System des komplett überwachten Bürgers eröffnet. Da diese Daten digital gespeichert und einem breiten Nutzerkreis innerhalb des staatlichen Systems zugänglich sind, ist nicht auszuschließen, daß sich auch Kriminelle in dieses System einklinken. So könnten Diebe feststellen, wann sich der Bewohner einer Wohnung an welchem Ort befindet, und die entsprechende Gelegenheit für einen Einbruch nutzen. Andere könnten sich den Zugriff auf die Verrechnungskonten der Kunden erschleichen.

Die Anonymität des Bargeldes hat somit einen großen Nutzen – nicht nur für kriminelle Elemente. Eine vollständige Abschaffung würde daher automatisch zur Einführung eines Ersatzgeldes führen – zu alternativen Geldsystemen wie dem 2009 eingeführten virtuellen elektronischen Bitcoin, der ebenfalls bargeldlos funktioniert, sich jedoch noch einer staatlichen Überwachung entzieht.

Foto: Straßenmusiker in Saarbrücken: Nicht nur Kriminelle und Steuerhinterzieher sind auf Bargeld angewiesen

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