© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Auf der Rasierklinge geritten
Von Kishon über Fernau bis Schönhuber: Dem Verleger Herbert Fleissner zum 85. Geburtstag
Günther Deschner

Eine gute Fee hat Dr. Fleissner mit dem Geschenk ewiger Jugend und anderen bemerkenswerten Gaben bedacht: mit einem wachen Verstand, der Zunge des geborenen Redners und einer nadelspitzen Nase“, so schrieb eine seiner „Entdeckungen“, der Bestseller-Humorist Ephraim Kishon, über ihn: „In gewisser Weise war ich anfangs etwas skeptisch. Er zeigte einen so gesunden Sinn für Humor, daß ich mich fragte, ob ich wirklich einen waschechten Verleger vor mir hatte.“ Doch Kishons Skepsis verflog mit jedem weiteren Buch, das sein „Entdecker“ und bald auch lebenslanger Freund zum Bestseller machte.

Der israelische Humorist nahm keinen Anstoß daran, daß sein Verleger auch ein Buch nach dem anderen aus der Feder des Geschichtsfeuilletonisten Joachim Fernau herausbrachte, der vor 1945 Kriegsberichterstatter bei der Waffen-SS gewesen war. Auch andere „seiner“ Autoren wußten und wissen es zu schätzen, daß sich Herbert Fleissner – ungerührt von politischer Beckmesserei und in Wahrnehmung seiner „verlegerischen Freiheit“ – von niemandem sein programmatisches Motto ausreden ließ: „Wer vieles bringt, kann vielen etwas bieten.“

Mit diesem Konzept aus Zielstrebigkeit und Einfallsreichtum, mit der richtigen Mischung aus Vorsicht und Absicht baute der heimatvertriebene junge Mann aus dem Nichts sein Bücher-Imperium auf, das bis heute einer der letzten von einem Konzern unabhängigen und für die Kultur der Meinungsfreiheit wichtigsten Verlage Deutschlands ist.

Ein breitgefächertes geistiges Spektrum an Autoren ist in Fleissners Verlagen zu Hause – sortiert nicht nach politischer Herkunft, sondern nach literarischem Können und buchhändlerischem Interesse. Ein Kosmos, der zwischen „deutsch“ und „weltoffen“, „rechts“ und „links“, und nicht zuletzt zwischen „seriös“ und „journalistisch“ viele Facetten finden will und findet. Daß der Ritt auf der politischen Rasierklinge gelingen kann, demonstriert Herbert Fleissner seit sechzig Jahren wie kein zweiter in Programm- und Autorenmischung seiner Verlage.

Fleissner und viele seiner Autoren gehören zu denen, die Persönlichkeit und berufliches Wirken über die Zeiten hin mit dem Schicksal unseres zur Disposition gestellten Volkes verbunden und sich der abgefeimt betriebenen kollektiven Vernebelung ganzer Generationen entgegengestellt haben. Als Gestalter einer politisch freiheitlichen und literarisch offenen Verlagslandschaft hat er vielen Autoren einen Wirkungsboden geschaffen, auf dem sie einen sicheren Stand finden konnten.

Geboren am 2. Juni 1928 im sudetendeutschen Eger, einer reichsfreien Stadt, die einst Friedrich I. Barbarossa mit einer Kaiserburg krönte, nahm der junge Herbert Fleissner drei Komponenten in sein Geschichts- und Weltbild auf: die Erinnerung an die Endzeit der k.u.k. Vielvölkermonarchie, als Vorbild europäischer Toleranz bis heute beispielgebend, die Atmosphäre des tschechoslowakischen Beneš-Staats, in dem die Diskriminierung ethnischer Minderheiten gang und gäbe war, und schließlich – im Herbst 1938 – den Anschluß des Sudetenlands an das Deutsche Reich, um Volks- und Staatsgrenzen in Einklang zu bringen.

1945 zählte der 17jährige zur Flakhelfer-Generation, wurde noch Soldat. Er überlebte, entging amerikanischer Gefangenschaft, landete aber in tschechoslowakischer Haft. Mit einer waghalsigen Flucht gelang es ihm, dem Transport in das Uranbergwerk Joachimsthal zu entkommen. Er landete schließlich in Österreich, machte in Salzburg Abitur und kam nach juristischem Studium und Promotion in Innsbruck 1952 nach München. Das Studium hatte er selbst finanzieren müssen – als Hilfsarbeiter, und für eine sudetendeutsche Buchgemeinschaft trug er Bücher aus. Ob es dieser mühselige Umgang mit Büchern war, aus dem seine Berufung entstand? Jedenfalls sagte er später: „Wer einmal mit dem Buch zu tun hat, kann nicht mehr damit aufhören. Das ist ein Metier, das einen gefangenhält, denn die ganze Welt ist durch das Buch dargestellt.“

Aus der Erfahrung der „Schicksalsgemeinschaft der Vertriebenen“ heraus, seinem „Schlüsselerlebnis“, gründete er 1952 in München eine Versandbuchhandlung und 1954 den kleinen, auf Vertriebenenliteratur spezialisierten Bogen-Verlag. Mit Gespür, Zähigkeit und Glück baute er seine Verlagsgruppe auf, beginnend mit dem Zuerwerb alteingesessener Häuser wie Herbig in Berlin, Langen-Müller in München und Amalthea in Wien. Zeitweilig kam auch ein 50-Prozent-Anteil (neben der Axel-Springer-AG) am etablierten, aber damals kränkelnden Verlag Ullstein-Propyläen hinzu.

Springer-Verlagsvorstand Peter Tamm hatte damals einen Partner gesucht, der sowohl verlegerisch erfolgreich als auch mit den politischen Grundüberzeugungen Springers (Eintreten für die deutsche Wiedervereinigung, Marktwirtschaft und „Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen“) kompatibel war. Er fand ihn in Fleissner, einem Verleger, „wie er im Buche steht“, so Tamm. Fleissners Verlagsgruppe hatte nicht nur Bücher zu Geschichte und Politik der deutschen Nation im Programm, sondern er war auch der Verleger von Kishon, Simon Wiesenthal und Elie Wiesel. Ausreichend politisch korrekt also. So kam es zur Ullstein-Langen-Müller-Verlagsgruppe, die mit 800 Titeln im Jahr mehr als 130 Millionen Mark umsetzte.

Jahrelang ging alles gut, doch irgendwann fingen die Springer-Verleger an zu tuscheln: Ob es die damals auch in Israel beachtete Schrift des Autors Hans Sarkowicz war („Rechte Geschäfte. Der unaufhaltsame Aufstieg des deutschen Verlegers Herbert Fleissner“) oder Franz Schönhubers Waffen-SS-Bekenntnisbuch „Ich war dabei“, das sich 130.000mal verkaufte – gut möglich, daß bei den Springers wichtige Leute angerufen haben …

1996, nach elf Jahren, endete jedenfalls die Liaison München-Berlin. Springer „ordnete den Konzern um“, so die Sprachregelung. Auch Fleissner, damals 67, mag erstmals an seine Nachfolge und daran gedacht haben, daß sich ein ganzes Unternehmen besser vererben läßt als ein halbes.

Fleissner baute sein eigenes Verlagshaus weiter aus: mit Verlagen in Luzern, Zürich und Wien. 2004 übergab er die Geschäftsführung der Münchner Verlage an seine Tochter Brigitte Fleissner-Mikorey. Für sich selbst hat er die Geschäftsführung einiger Verlage behalten, die sich schwerpunktmäßig Themen aus Wirtschaft, Politik und Geschichte widmen.

Das linke Lager, das den deutschen Kulturbetrieb dominiert, wird also auch weiterhin Gelegenheit haben, sich über „politisch unkorrekte“ Bücher aus dem Hause Fleissner zu echauffieren. Der als „Geschichtsrevisionist“ attackierte Historiker Ernst Nolte hat einmal die These gewagt, „daß die deutsche Demokratie in der intellektuellen Sphäre auf zwei Augen steht, auf den Augen von Herbert Fleissner. Ohne ihn und seine Verlage hätte eine wichtige Strömung des Denkens und Empfindens keine weithin vernehmbare Stimme, nämlich die ‘rechte’ Strömung, die sich deutlich von der ‘Suhrkamp-Kultur’ unterscheidet.“

Als Verlegerpersönlichkeit wurde Fleissner vielfach ausgezeichnet, darunter 2004 mit dem von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung zusammen mit der JUNGEN FREIHEIT vergebenen Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis für Publizistik.

Foto: Herbert Fleissner: „Wer einmal mit dem Buch zu tun hat, kann nicht mehr damit aufhören. Das ist ein Metier, das einen gefangenhält.“

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