© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Braunes Schreckgespenst
Bayern ist ein „Bärenerwartungsland“ / Die Nachbarschaft von Mensch und Raubtier ist problematisch
Gerold Franz

Nur der 2006 geborene Berliner Eisbär „Knut“ übertraf den nach Bayern eingewanderten Braunbären „Bruno“ in der Publikumsgunst. Die Öffentlichkeit wollte sich lange nicht beruhigen, als der dreijährige, fintenreiche „Schlaubär“ im Morgengrauen des 26. Juni 2006 oberhalb des Schliersees von einem Spezialkommando mit zwei Kugeln zur Strecke gebracht wurde. Münchner Ministerien fanden Morddrohungen in ihrer Post, Boykottaufrufe zielten auf die weißblaue Tourismusindustrie.

Der ausgestopfte Bruno steht heute hinter Glas im Münchner Museum Mensch und Natur. „Mausetot“ und doch als „Mahnmal“ ungemein präsent, meint der Naturfilmer Herbert Ostwald, dessen Report über den einstigen „Problembären“ Ende April in der ARD zu sehen war. Im Mai-Heft der Zeitschrift Natur (5/13) spitzt Ostwald die wesentlichsten Aussagen seiner Rückschau auf das Schicksal des zottigen Boulevard-Lieblings in der These zu: Deutschland, Bayern vor allem, sei heute „Bärenerwartungsland“. Insoweit wurde „Brunos Vermächtnis“ erfüllt, da die Tier- und Umweltschutzbehörden des Freistaates seit 2006 vorbereitet seien, um etwaigen neuen Bärenzuzug auch unbewaffnet zu meistern.

Dafür liegt der „Managementplan Braunbär“ parat. Er sieht für „futterkonditionierte“ Tiere, die früh von ihrer Mutter lernten, ihre Nahrung in Menschennähe statt im Wald zu suchen, eine „Umerziehung“ vor. Falls die mißlingt, deren unblutige „Entfernung“. Wie so etwas funktioniert, durften sich bayerische Bärenschützer in Wartestellung bei ihren Kollegen in der alpinen Region Trentino, Brunos Heimat, abgucken. Auch dort wurde die Bärenpopulation in den vergangenen 200 Jahren arg dezimiert, aber nie ausgerottet, und der aktuelle Bärenreport der Provinz Trient vom 16. April 2013 nennt 43 bis 48 Tiere. Hinzu kämen wenige Exemplare im benachbarten Südtirol, in Venetien und der Lombardei. Seit langem gewöhnt an den Umgang mit Meister Petz, haben die amtlichen Naturschützer in Italien viel Erfahrung darin, das Zusammenleben zwischen Mensch und Raubtier zu arrangieren. Die „Umerziehung“ der auf Mülltonnen und Viehweiden abonnierten Tiere gelingt mittels Abschreckung, durch Gummigeschosse. Den Unmut der Landwirte besänftigen Schadensersatzzahlungen. 123 Bärenattacken auf Schafe, Hühner und Kaninchen kosteten die Provinzverwaltung 2011 bescheidene 45.000 Euro. Ansonsten halten bärensichere Spezialmülltonnen, Herdenschutzhunde und Elektrodrähte um Bienenkörbe hungrige Bären auf Distanz.

Eine derartige Ausrüstung fehlt zwar noch in Bayern, aber immerhin haben 120 Jäger, Naturschützer und Landwirte dort ihren ersten Nachhilfelehrgang in „Bärenkunde“ schon hinter sich.

Managementplan „Braunbären in Bayern“

 www.natur.bayern.de

Foto: Braunbären in Bayern: Gelingt die Umerziehung der auf Mülltonnen und Viehweiden abonnierten Tiere?

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