© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Kultursensibel feiern
Man will ja niemanden verletzen: Münster macht örtliche Tradition PC-kompatibel / Bäckerfest „behutsam modernisiert“
Bernd Rademacher

Der Gute Montag – ein lokales Traditionsfest der Bäcker- und Konditoreninnung von Münster in Westfalen. Alle drei Jahre am ersten Montag im Juni ziehen Innungsvertreter in festlicher Aufmachung durch die historische Innenstadt. Die Herren tragen schwarze Anzüge oder die Uniformen ihrer Gilde, die an Schützenbrüder erinnern, mit bunten Schärpen und Federn am Hut. Den Umzug begleiten Familien der Innungsmitglieder und jede Menge Schaulustige.

Vor dem Rathaus führt der Fahnenträger einen Fahnenschlag vor. Wegen des Gewichts der Gildenfahne gehört Kraft und Können dazu. Anschließend empfängt der Oberbürgermeister die Brötchen- und Kuchenbäcker. Im historischen Friedenssaal des Rathauses dürfen die Obermeister Wein aus dem „Goldenen Hahn“ trinken, einem Goldpokal in Gestalt eines männlichen Huhns. Danach ziehen die Handwerker weiter zum bischöflichen Palais, wo sie vom Hirten begrüßt werden. Den Abschluß bildet ein festlicher Ball mit Kür der Innungskönigin.

Fester Bestandteil des Rituals ist die Entstehungslegende. Danach nahmen münsterische Bäckergesellen 1683 in Wien eines Nachts verdächtige Geräusche unter der Erde wahr, zählten eins und eins zusammen und alarmierten flugs die Stadtwache. Ihre Wachsamkeit vereitelte einen heimlichen Miniertunnelbau der Türken, die Wien belagerten. Auf diese Weise retteten die frommen Bäckersleut – so will es die Geschichte – die Habsburgerstadt vor Verwüstung durch die Osmanen. Kaiser Leopold I. soll so dankbar gewesen sein, daß er den Bäckergesellen aus Westfalen einen arbeitsfreien Feiertag verbriefte – eben den „Guten Montag“.

Es gibt vage Hinweise darauf, daß der Brauch viel früher, nämlich schon im Mittelalter als Fest der Bäckergilde entstanden sei. Nichtsdestotrotz war die Türken-Version immer eine untrennbare Komponente der Traditionsveranstaltung. In der Stadtführerliteratur, in Zeitungsberichten und der Öffentlichkeitsarbeit der Innung wurde die Sage von den wachsamen Gesellen stets ausführlich beschrieben. Im Jahr 2013 kollidiert diese mit der Doktrin von „Bereicherung, Buntheit und Vielfalt“.

Auf dem Werbeplakat zum Guten Montag vor drei Jahren war die historische Situation noch angedeutet: In Gestalt dreier Playmobilfiguren standen sich ein Orientale mit Turban und Krummsäbel und zwei Bäcker mit Teigschüssel und Ofenschieber gegenüber. In diesem Jahr vollführte die Innung einen polit-korrekten Eiertanz und „entschärfte“ das geschichtliche Motiv. PR-Fritzen mußten ran, ihr mutmaßlicher Auftrag: kultursensible Modernisierung.

Die Plakate in den Bäckereigeschäften, die seit je her den Umzug bewerben, wurden darob „behutsam angepaßt“. Die unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen als „heikel“ empfundene Ausgangsgeschichte verschwindet, statt dessen liegt der Fokus auf dem Fahnenschlag als folkloristisches Element. Das Plakat zeigt den Fahnenschläger vor dem Bischofssitz. Die Veranstaltung wird als „Traditionsfest“ angekündigt.

Die örtliche Presse läßt den geschichtlichen Hintergrund auch außer acht und erwähnt nur, daß der Traditionsumzug in Münster alle drei Jahre stattfindet. Beiläufig wird erwähnt: „Münsteraner Bäcker sollen einst die Stadt Wien gerettet haben.“ Vor wem oder was? Keine Auskunft.

Lieber tut man so, als wüßten die Bäcker selbst nicht so genau, warum sie in Uniformen und mit Fahnen durch die Stadt paradieren. Die Losung heißt eben: „Kultursensibilität“.

Wie weit es andererseits damit her ist, zeigt die Moschee im Ortsteil Münster-Hiltrup, die offiziell den Namen „At-Tawba“ trägt. Das ist der arabische Name der Koran-Sure neun, die den berüchtigten „Schwert-Vers“ enthält, nach dem alle Ungläubigen getötet werden müssen. Aber Münster ist so tolerant, da fühlt sich niemand beleidigt.

Foto: Plakate der Bäcker- und Konditor­innung Münster von 2010 (oben) und 2013: Traditionsfest ohne Tradition Taylors Beurteilung ein Körnchen Wahrheit steckt?

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