© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Flut in Deutschland
Wir stehen zusammen
Dieter Stein

Erst regnet es tagelang, dann steigen die Pegel und dann kommt die Flut. Von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten ist dann ganzer Einsatz gefordert. Schon witzeln Humoristen über die „Politikerflut“, von der die Katastrophengebiete in diesen Tagen heimgesucht werden. Jeder hat noch die Bilder im Kopf vom „Deichgrafen“ Matthias Platzek und Kanzler Gerhard-„Er kann es“-Schröder. Wie sie 2002 in Gummistiefeln durch Wasser wateten und als Krisenmanager die Sympathien der Bürger gewannen, ist legendär.

Es ist die Pflicht von Landesvätern und Müttern der Nation, in solchen Lagen an der Front zu stehen und die Hilfe durch Behörden zu beschleunigen. Zuversicht zu verbreiten, über die gefluteten Auen zu späen, Hände aufzulegen und schließlich Geld lockerzumachen: 100 Millionen, halbe-halbe zwischen Bayern und Bund geteilt. Das gleiche auch in den anderen Ländern. Besser als in der nächsten Euro-Rettung versenkt.

Während die Politiker kaum leugnen können, bei ihren Rundflügen über die überschwemmten Gebiete von Donau, Inn, Elbe, Mulde und Saale nicht doch gelegentlich an den Wahlkampf zu denken (irgendwie ungerecht für die SPD, daß alle betroffenen Bundesländer von Unions-Ministerpräsidenten geführt werden), setzt die Katastrophe bei den Bürgern eine ungeahnte Welle der Hilfsbereitschaft frei.

Neben den routinierten Kräften und professionell arbeitenden Krisenstäben von Bundeswehr, THW und Rotem Kreuz beeindrucken die zigtausend privat organisierten Einsätze, um die Folgen des Hochwassers zu bekämpfen. Spontan finden sich über Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter Menschen, um ohne lange zu fackeln anzupacken. Die Sandsäcke abfüllen oder Pumpen liefern. Mütter, die Stullen schmieren oder Brummifahrer, die mit ihrem Laster palettenweise Sandsäcke transportieren. Wildfremde finden sich zusammen, um nachts einen Deich zu sichern, an dem sie gar nicht wohnen.

Beinahe im Minutentakt meldete die Seite „Fluthilfe Dresden“ auf Facebook Hilferufe von Betroffenen. Beispiel: Es wird für eine Familie mit zwei Kleinkindern aus dem überschwemmten Dresden-Laubegast eine Unterkunft gesucht. Es dauert nur Sekunden und es melden sich andere Bürger aus der Umgebung und bieten eine Bleibe an: „Wir haben eine kleine Wohnung! Ein Raum mit Küche und Bad! Mit Schlafsäcken. Kriegen wir hin!“ Ein anderer schreibt: „Haben eine Ferienwohnung frei! Gern kann die Familie kommen. Da wir selber ein kleines Kind haben, ist alles Notwendige vorhanden.“

Die Flut zeigt: In der Not rücken die Landsleute zusammen. Tausendmal wichtiger als die Hilfsgelder des Staates ist die konkrete Solidarität von Menschen, die sich bis eben noch nicht kannten, aber spontan und ohne lange nachzudenken anpacken, damit keiner im Regen stehen bleibt. In solchen Momenten merken wir, daß wir ein Volk sind.

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